In den letzten Jahrzehnten haben sinkende Geburtenraten und eine gestiegene Lebenserwartung in den Industrieländern zu einem tief greifenden demographischen Wandel geführt: So beträgt in Deutschland die durchschnittliche Lebenserwartung bei Frauen heute 83,2 Jahre und bei Männern 78,3 Jahre. Allein in Baden-Württemberg leben derzeit 2,15 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die 65 Jahre und älter sind. Prognosen besagen, dass bis 2040 die Grenze von 3 Millionen überstiegen sein wird. Die gestiegene Lebenserwartung wird die Nachfrage nach Hilfe- und Pflegeleistungen im Alter in den nächsten Jahrzehnten weiter erhöhen. Aufgrund geänderter sozialer Wohnverhältnisse und der Entwicklung weg vom Mehrgenerationenhaushalt stehen allerdings nur noch für einen Teil der Bevölkerung ihre Angehörigen im Alter zur Verfügung, um sie bei ihren Alltagsaufgaben oder bei der häuslichen Pflege zu unterstützen.

Digitale Technologien für selbstbestimmtes Wohnen

Dank des technischen Fortschrittes soll es künftig jedoch mehr Menschen möglich sein, ihren Lebensabend im eigenen Zuhause zu verbringen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das Stichwort an dieser Stelle lautet „Ambient Assisted Living“ (AAL). Der Begriff bezeichnet Smart-Home-Konzepte, die Menschen dabei helfen, mithilfe digitaler Technologien Tätigkeiten im Alltag auszuführen und ihre Sicherheit und ihren Komfort zu verbessern. Die Technik kann und soll Familienangehöre oder professionelle Pflegedienste nicht ersetzen, sondern zwischenmenschliche Hilfeleistungen ergänzen.

Wesentliche Anwendungsbereiche von AAL sind Medizin, Pflege, Sicherheit, Komfort und Unterhaltung. Zur ersten Gruppe gehört der mittlerweile bewährte Hausnotruf: Mit einem einzigen Knopfdruck können ältere Personen ein Alarmsystem aktivieren und damit Angehörige oder den Rettungsdienst im Notfall informieren. Weitere automatisierte Anwendungen sind Funktionen ein Erinnerungsdienst für die Medikamenteneinnahme, Sturzerkennung oder telemedizinische Anwendungen. Im Bereich Sicherheit und Komfort sehen AAL-Konzepte Funktionen wie die automatische Abschaltung des Herdes bei Nichtnutzung oder die automatische Beleuchtung beim nächtlichen Toilettengang vor. Für mehr Komfort sorgen Technologien wie zum Beispiel intelligent gesteuerte Jalousien und Rollläden, die sich nachts automatisch schließen und nicht mehr mühsam manuell betätigt werden müssen. AAL-Konzepte setzen in den verschiedensten Bereichen auf datenbasierte Smart-Home-Lösungen, die das Alltagsleben älterer, aber auch anderweitig benachteiligter Menschen unterstützen.

Smart-Home-Markt weiter am Wachsen

Diese digitalen Lösungen werden stetig weiterentwickelt und immer mehr Leistungen und Produkte sind auf dem Markt verfügbar. Der Umsatz im Smart-Home-Markt beträgt insgesamt etwa 3,6 Milliarden und soll bis zum Jahr 2023 auf 7,23 Milliarden Euro anwachsen. Laut einer Bitkom-Studie von August 2018, nutzt bereits jeder vierte Bundesbürger Smart-Home-Technologien zu Hause. Die Branche steht jedoch noch vor einigen Herausforderungen. Viele technische Ideen im Bereich altersgerechtes Wohnen erwiesen sich in der Vergangenheit als nur schwer oder gar nicht realisierbar. Neben Bedenken hinsichtlich der Sammlung und Verwendung privater Nutzerdaten und der Bedienung technischer Geräte, gehört bei AAL auch der Kostenfaktor zu den größten Sorgen. Interessenten, die ihr Zuhause in ein Smart Home umwandeln möchten, haben allerdings die Möglichkeit, staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bietet beispielsweise Förderprogramme für intelligente Baumaßnahmen.

Baden-Württemberg treibt die Entwicklung von AAL voran

Für die Zukunft stehen die Zeichen im Bereich Smart Home weiter auf Wachstum. In der Forschung gehört Baden-Württemberg dabei zu den Vorreitern. Im Karlsruher FZI Forschungszentrum Informatik arbeiten Experten seit vielen Jahren an der Untersuchung und Entwicklung digitaler Assistenzlösungen. Das Zentrum entwickelte beispielsweise das System „easierLife“, das mithilfe von Sensoren Notsituationen im Haushalt erkennen und automatisch den Rettungsdienst alarmieren kann. Darüber hinaus erstellte das FZI das unabhängige Portal www.wegweiseralterundtechnik.de, das umfangreiche und neutrale Informationen zu Smart-Home-Produkten für altersgerechtes Wohnen enthält.

Um die intelligente Vernetzung im Haushalt weiter voranzutreiben, formierte sich in Baden-Württemberg 2014 die „Initiative Smart Home & Living Baden-Württemberg“. Der Verein hat unter anderem das Ziel, Akteure in der Branche zu vernetzen, Markthemmnisse abzubauen und die Möglichkeiten der digitalen Technologien aufzuzeigen. Mitglied der Initiative sind Unternehmen, Institutionen, Netzwerke, Verbände und Forschungseinrichtungen aus Baden-Württemberg.