Data Literacy beschreibt die Fähigkeit von Menschen, Institutionen und Unternehmen, Daten zu sammeln, zu bewerten, anzuwenden sowie beim Datenmanagement so verantwortungsvoll, kritisch und souverän vorzugehen, dass Mehrwerte entstehen und Schäden vermieden werden. Im Deutschen wird der Begriff als Datenkompetenz übersetzt, jedoch bürgert sich auch hierzulande eher der Gebrauch des englischen Fachausdrucks Data Literacy ein. Seine wachsende Bedeutung ist gut mit einer Analogie zum Autofahren zu beschreiben: Sind Daten das Benzin oder Öl der Digitalisierung und Algorithmen deren Motor, ist Data Literacy in diesem Bild der Führerschein. Erst durch ihn sind wir in der Lage, ein Auto sicher, effizient und verantwortungsvoll zu nutzen. Entsprechend ermöglicht erst die Datenkompetenz einem Unternehmen, das Potential seiner Daten für die Wertschöpfung zu erschließen.

Ähnlich wie der Auto-Führerschein erfordert aber auch der Erwerb des Data-Literacy-Führerscheins einige Anstrengungen. Dabei kommt es weniger auf die finanziellen Möglichkeiten eines Unternehmens an als auf ein überlegtes und konsequentes Vorgehen. Der Grund dafür ist, dass Data Literacy in Unternehmen auf mehreren Ebenen aufgebaut sein muss und auf jeder Ebene unterschiedliche Anforderungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen sind. So benötigen Führungskräfte eine andere Datenkompetenz als etwa Spezialisten, die datenbasierte Werkzeuge entwickeln (Data Scientists) oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die vorhandenen Werkzeuge für Analysen nutzen und anwenden. Damit all diese Ebenen einander verstehen und zusammenarbeiten, bedarf es einer eigenen, unternehmensspezifischen Data-Literacy-Architektur. Diese aufzubauen, stellt besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor große Herausforderungen.

Data Literacy befähigt die Menschen im Unternehmen zu effizienter Datenwirtschaft

Dabei ist das Erfassen und Sammeln von Daten im Alltag der Unternehmen längst angekommen. Noch immer werden Daten jedoch meist nur für den Zweck ausgewertet, für den sie unmittelbar gedacht sind, etwa zur Überwachung von Maschinenzuständen, dem Festhalten von Arbeitszeiten oder für Messungen zur Qualitätssicherung. Dank des Einsatzes Künstlicher Intelligenz und Methoden des Machine Learnings wie Deep Learning oder Reinforcement Learning finden jedoch auch immer mehr Big-Data-Anwendungen ihren Weg in die Unternehmen.

Mithilfe von Big Data lassen sich Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) nahezu jeder Art analysieren.So kann beispielsweise  das Verhalten von Konkurrenten im Markt ebenso wie die Effizienz unternehmensinterner Prozesse oder die Bedürfnisse und Anforderungen von Kunden ermittelt werden. Um solche Big-Data-Anwendungen im Unternehmen aufzusetzen, müssen jedoch jeweils erst die Daten identifiziert werden, die für das zu untersuchende Feld relevant sind. Das gelingt nur mit dem entsprechenden fachlichen Know-how. Aus diesem Grund kann die Bewirtschaftung von Daten auch nicht einfach an Daten-Spezialisten im Unternehmen abgegeben werden. Der Umgang mit Daten muss vielmehr Teil der Unternehmenskultur werden.

Bei der Datenkompetenz gibt es eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Dass sich dieser Kulturwandel nicht von heute auf morgen einfach per Dekret herstellen lässt, unterstreicht eine aktuelle Studie von Qlik und Accenture, für die weltweit 9.000 Mitarbeitende unterschiedlicher Verantwortungsebenen befragt wurden. Demnach klafft zwischen dem Wunsch von Unternehmen, Daten effizient zu nutzen und der Befähigung ihres Personals dies umzusetzen, eine große Lücke. Drei Viertel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlen sich vom Umgang mit Daten überfordert, schieben Aufgaben daher auf oder melden sich mitunter sogar krank. Durchschnittlich gehen Unternehmen pro Arbeitskraft und Jahr dadurch fünf Arbeitstage im Jahr verloren. Für die Innovationskraft der Unternehmen vermutlich jedoch noch schlimmer ist, dass sich rund die Hälfte (48 Prozent) der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieber auf ihr Bauchgefühl verlässt als auf datengetriebene Erkenntnisse. Und diese Zahl trifft auf die gesamte Mitarbeiterschaft sowie alle Karrierestufen zu, schließt also Manager, Geschäftsführer und Direktoren mit ein.

Data Literacy Weiterbildungsangebote für den Mittelstand

Um diese Lücke zu schließen und Data Literacy künftig besser in den Unternehmen zu verankern, gibt es sowohl international wie regional mittlerweile einige Initiativen und Projekte mit entsprechenden Weiterbildungsangeboten. So bietet beispielsweise das The Data Literacy Project E-Learning-Module, Schulungen, eine umfangreiche Ressourcenbibliothek sowie Selbstbewertungsinstrumente für den Aufbau von Datenkompetenzen an. Das Angebot ist allerdings auf große Organisationen ausgerichtet und für mittelständische Unternehmen daher wenig geeignet.

Kleine und mittlere Unternehmen benötigen ein modulares und flexibles Weiterbildungsangebot, das individuell an die vorhandenen Ressourcen und Kapazitäten angepasst werden kann. Da der Mittelstand eher durch Spezialisierung erfolgreich ist, spielen auch nachvollziehbare Beispiele mit Bezug zum eigenen Unternehmen eine wesentlich größere Rolle bei der Wissensvermittlung. Aus diesem Grunde wurde 2019 in Baden-Württemberg das Projekt Data Literacy und Data Science ins Leben gerufen. Neun Universitäten und Hochschulen haben unter Federführung der School of Advanced Professional Studies der Universität sowie der Technischen Hochschule Ulm gemeinsam ein Weiterbildungsangebot entwickelt, das sich gezielt an den Mittelstand richtet und sowohl die Datenkompetenz von Anwendenden wie von Entscheiderinnen und Entscheidern verbessern soll.

Das Angebot vermittelt theoretisches Grundlagenwissen und zeigt deren praktische Anwendung auf. Die Teilnehmenden erhalten durch Zertifizierungskurse zudem Nachweise, mit denen sie ihren jeweiligen Kenntnisstand durch Certificates oder Diplomas of Advanced Studies (CAS bzw. DAS) dokumentieren können. Die Präsenz- und Onlineformate werden dabei durch so genannte Data Labs ergänzt. In diesen erhalten Unternehmen die Möglichkeit, anhand eigener Daten aus dem Unternehmen konkrete Anwendungsfälle zu erarbeiten und zu erproben. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen, die Universität Mannheim, die Hochschule der Medien in Stuttgart sowie die Universität Ulm bieten zudem Studiengänge auf Master-Niveau an, die berufsbegleitend studiert werden können. Durch diese Angebote werden KMU in die Lage versetzt, sich Schritt für Schritt eine immer komplexere Architektur für Data Literacy im Unternehmen aufzubauen.