Die COVID-19-Pandemie stellt alle Beteiligten des Gesundheitssystems vor neue Herausforderungen: Um sich nicht anstecken, vermeiden viele Patient*innen den Gang in die Arztpraxen oder Kliniken. Das ist vor allem bei chronischen Erkrankungen ein Problem, da diese regelmäßige Untersuchungen des Gesundheitsstatus erfordern. Zugleich werden auch viele medizinische Eingriffe verschoben, um genug Kapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Erkrankten zu schaffen. Und auch die Behandlung der hochinfektiösen COVID-19-Erkrankung selbst erfordert neue Wege im Umgang zwischen Ärzt*innen und Patient*innen, um Infektionsketten wirksam zu unterbrechen. Lösungen für all diese Herausforderungen bietet das Telemonitoring, auch Patientenfernüberwachung oder bzw. Remote Patient Monitoring (RPM) genannt.

 

Telemonitoring bietet Flexibilität bei der Überprüfung von Gesundheitswerten

Mithilfe digitaler Technologien können beim Telemonitoring wichtige Gesundheitswerte aus der Ferne kontrolliert und ausgewertet werden. Die Erhebung dieser Daten kann je nach Bedarf kontinuierlich oder zu beliebigen Zeitpunkten erfolgen. Durch Telemonitoring wird auch flexibilisiert, wo die Überprüfung von Vitalwerten wie Blutdruck, Blutzucker, Sauerstoffsättigung oder Körpertemperatur stattfindet. Patient*innen müssen für die Messungen nicht mehr in die Klinik bzw. Praxis kommen, sondern können sie im häuslichen Umfeld oder sogar auch unterwegs vornehmen.

In der einfachsten Form übernehmen die Patient*innen das Telemonitoring dabei selbst (Self-Monitoring). Dass diese einfache Form des Telemonitorings schon lange eingesetzt wird, zeigt das Bespiel von Langzeit-EKGs. Dabei zeichnen auf der Haut fixierte Elektroden sämtliche Herzaktivitäten auf und halten sie im EKG-Gerät fest, das die Patient*innen nach Ablauf der meist auf 24 Stunden angesetzten Untersuchung zurück in die Praxis bringen, wo die Daten ausgelesen und ausgewertet werden. Eine weitere Möglichkeit ist das sogenannte Retro-Monitoring, das vor allem bei elektrischen Implantaten bei Herzinsuffizienz-Patient*innen Anwendung findet. Die Systeme zeichnen dabei regelmäßig Daten auf und leiten sie beispielsweise einmal täglich an das Telemonitoring-Zentrum weiter. Die Zukunft dürfte aber vor allem dem Online-Monitoring gelten, da es eine kontinuierliche Überwachung von Vitalfunktionen ermöglicht und so auch Alarm bei akuten Notfällen auslösen kann.

Telemonitoring-Systeme bestehen mindestens aus medizinischen Sensoren zur Messung von Vitalparametern sowie einer Basisstation, die die Daten aufzeichnet. Beim Online-Monitoring ist die Basisstation beispielsweise in einer App, die die Daten auf dem Smartphone oder einer Smartwatch aufzeichnet und sie über das Internet an ein telemedizinisches Zentrum oder auch an eine Arztpraxis schickt. Seit Oktober können Ärzt*innen auch entsprechende „Apps auf Rezept“ ausstellen. Voraussetzung dafür ist, dass sie im neuen Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) gelistet sind, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) betreut.

 

Überwachung von Patient*innen in Quarantäne

In der derzeitigen Coronavirus-Pandemie werden Telemonitoring-Systeme etwa zur Überwachung von Risiko-Patient*innen eingesetzt. Das Klinikum rechts der Isar in München setzt dafür beispielsweise In-Ear-Sensoren ein, die Patient*innen in häuslicher Quarantäne per Post zugestellt werden. Die Sensoren werden wie gewöhnliche In-Ear-Kopfhörer getragen und messen regelmäßig Vitaldaten. Zeigen die Daten eine Verschlechterung des Gesundheitszustands an, kann die*der Patient*in unter Einhaltung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen in die Klinik geholt werden.

Ähnliche Systeme werden weltweit auch in anderen Kliniken eingesetzt und getestet. Ihr Vorteil liegt vor allem darin, dass Risikopatient*innen nicht zur Überwachung in die ohnehin überfüllten medizinischen Einrichtungen müssen − und sich daher auch nicht der Gefahr aussetzen, sich oder andere dort anzustecken. Zudem können COVID-19-Erkrankte bei entsprechend positivem Verlauf auch früher entlassen werden. Per Telemonitoring wird dann überprüft, ob sich ihr Gesundheitsstatus stabilisiert oder ob doch noch weiterer Behandlungsbedarf besteht.

 

Vor- und Nachteile des Telemonitorings

Zu den großen Vorteilen des Telemonitorings zählt zweifellos die Entlastung des medizinischen Personals und der medizinischen Einrichtungen durch die Vermeidung oder Verkürzung von Klinikaufenthalten. Telemonitoring hat das Potenzial, hier erhebliche Reserven zu schaffen, sodass künftig für schwer erkrankte Patient*innen mehr Zeit und Ressourcen bleiben. Bei ansteckenden Krankheiten wie COVID-19 kann durch Telemonitoring zudem die Zahl der Kontakte reduziert werden. Für Patient*innen bringt das neben mehr Sicherheit, auch das gute Gefühl mit sich, im heimischen Umfeld gut behütet genesen zu können.

Voraussetzung für eine effektive Nutzung des Telemonitorings ist eine gute Netzwerktechnik. Sind keine stabilen Internetverbindungen vorhanden, kann lediglich Self- oder Retro-Monitoring eingesetzt werden. Im Fall der Überwachung von COVID-19-Patient*innen wäre das aber beispielsweise zu wenig. Gebiete mit unzureichenden Internetanbindungen sind daher hier ebenso benachteiligt wie all jene, die sich aus finanziellen Gründen keinen Internetanschluss leisten können. Hinzu kommt, dass Telemonitoring immer auch eine Form der Überwachung ist. Der Einsatz entsprechender Systeme etwa in der Altenpflege ist zwar verlockend, muss sich aber nicht nur an der Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen ausrichten, sondern immer auch die Würde der*s Einzelnen im Blick behalten.

Ganz sicher kann Telemonitoring auch nicht eingesetzt werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Pflege hängt schließlich immer auch von der Beziehung zwischen den Pflegenden und den Gepflegten ab. Mit dem Fachkräftemangel zusammen hängt zudem die Herausforderung, dass auch für die Ausstattung von Patient*innen mit Telemonitoringsystemen sowie dem Auslesen und der Auswertung der Daten medizinisches Fachpersonal benötigt wird.

 

Die Zukunft des Telemonitorings liegt in der Künstlichen Intelligenz

Um das Potenzial von Telemonitoring voll auszuschöpfen, erprobt das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt Telemed5000 unter Leitung von Prof. Dr. med. Friedrich Köhler an der Charité Berlin derzeit, wie mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) Telemonitoring-Daten automatisiert voranalysiert und medizinisches Personal bei kritischen Situationen alarmiert sowie bei Entscheidungen unterstützt werden können. Erprobt wird das System mit Patient*innen, die an chronischer Herzschwäche leiden. Telemedizinzentren schaffen es bislang, maximal etwa 500 solcher Patient*innen zu betreuen. Mithilfe der KI sollen es künftig bis zu 5.000 sein.

Um das Telemonitoring in die breite Anwendung zu bringen, wird es aber nicht nur auf die Skalierung der Patient*innenzahlen ankommen. Mindestens ebenso wichtig ist es, die Wirtschaftlichkeit der neuen Technik sicher zu stellen. Die Koordinierungsstelle Telemedizin Baden-Württemberg (KTBW) bietet hierzu eine offene Vernetzungsplattform, die das Ziel hat, gemeinsam mit den Partnern aus der Region die telemedizinische Versorgung in Baden-Württemberg nachhaltig zu verbessern. Die Koordinierungsstelle begleitet unter anderem öffentlich geförderte Telemedizin-Projekte vom Projektstart bis in die Regelversorgung.