Neue Geschäftsmodelle für Kunstschaffende, Kreative und andere Branchen

Kann eine einzige Bild-Datei 69 Millionen Dollar wert sein? Sie kann, wie das Beispiel des US-Amerikaners Mike Winkelmann zeigt. Unter dem Künstlername Beeple postet er seit 2007 nahezu täglich ein digitales Bild auf der Online-Plattform Tumblr. Diese Bilder stellt Winkelmann 2021 zu einer Collage zusammen, der er den Titel „Everydays: The First 5000 Days“ gibt und bietet sie als digitale Datei dem Londoner Auktionshaus Christie’s an. Für etwas mehr als 69 Millionen Dollar wird die Datei schließlich an einen nicht namentlich genannten Käufer versteigert. Warum aber gibt jemand eine derartige Summe für etwas aus, dass vergleichsweise einfach nachzumachen ist? Die Einzelbilder, aus denen die Collage zusammengesetzt ist, lassen sich schließlich noch immer auf Tumblr herunterladen. Die Antwort: Die versteigerte Datei besitzt ein digitales NFT-Echtheitszertifikat, ist damit ein Unikat und kann jederzeit unter unendlich vielen Kopien als Original identifiziert werden.  

Was sind NFT? 

Möglich wird das durch Non-Fungible Tokens, kurz NFT, zu Deutsch: nicht austauschbare Token. Ein Token kann man als Zeichen, Merkmal oder genauer als Wertmarke übersetzt werden. In der Informationstechnik wird der Begriff Token unterschiedlich verwendet. Ein bekanntes Beispiel sind Sicherheits-Token, mit denen sich Nutzer identifizieren und authentifizieren können. Es handelt sich dabei ursprünglich um kleine Hardware-Geräte, die ein individuelles Passwort generieren. Diese Geräte werden eingesetzt, um eine Zugangsberechtigung über mehrere unabhängige Merkmale überprüfen zu können. Im Online-Banking und vielen anderen sicherheitsrelevanten Web-Anwendungen übernehmen mittlerweile auch Software-Token als Apps auf dem Smartphone die gleiche Funktion. Diese Apps erzeugen Zeichenketten (Sicherheitscodes), mit denen die Berechtigung zur Ausführung einer Aktion noch einmal überprüft wird. 

Auch bei den Tokens, die sich hinter NFT verbergen, handelt es sich um Zeichenketten bzw. Dienstprogramme, die Berechtigungen zuweisen und überprüfen. Tokens eignen sich unter anderem dazu, ihnen Assets, also Werte aus der realen Welt zuzuordnen, wie etwa Kunstwerke, Immobilien oder auch Wertpapiere. Der Vorgang der Zuordnung von Assets aus der realen Welt zu solchen Tokens wird Tokenisierung genannt. Dabei entsteht eine digitale Abbildung des Vermögenswerts. In dieser digitalen Abbildung enthalten ist ein Smart Contract, also ein intelligenter, sich über Wenn-Dann-Regeln weitgehend selbst verwaltender Vertrag. In diesem Vertrag ist festgehalten, welche Rechte und Pflichten mit dem Wert verbunden und an wen diese übertragen sind. Der Smart Contract ist der eigentliche Kern von Tokens, weshalb die beiden Begriffe oft gemeinsam dafür stehen, dass über sie ein Besitz zugewiesen werden kann. Grundlage der Tokenisierung ist die Blockchain-Technologie. Fungible und nicht fungible Token sind also eine Anwendung der Blockchain und wie diese sicher vor Manipulationen.  

Hintergrund: Blockchain – das sichere Kassenbuch 

Blockchains sind eine dezentrale Form der Datenspeicherung und am einfachsten zu vergleichen mit einem Kassenbuch (Englisch: „ledger“). In der Blockchain liegen Daten bzw. Einträge im Kassenbuch nicht auf einem zentralen Server, sondern verteilt in Blöcken auf vielen dezentralen Rechnern. Durch kryptografische Verfahren sind die Blöcke miteinander über Knoten zu einem Netzwerk, der Blockchain, verkettet. Kopien der Blockchain und damit der Datenbank werden auf viele Nutzer verteilt. Jeder Teilnehmer hat also eine Kopie des Kassenbuchs, daher werden Blockchains auch als „distributed ledgers“ bezeichnet.  Das hat für die Sicherheit einen entscheidenden Vorteil: Da jede Änderung an einer Kopie der Blockchain unmittelbar an alle Blockchain-Teilhabenden verteilt wird, ist eine unberechtigte Manipulation am Kassenbuch bzw. den Daten so gut wie unmöglich. Jeder Missbrauch wird durch den Abgleich mit den übrigen Kopien unmittelbar erkannt. Das gilt auch für NFT, da sie in einem Blockchain-Ökosystem eingebettet sind und dort ausgeführt werden.  

Unterschied zwischen fungiblen und nicht fungiblen Tokens 

Fungible Assets sind Werte, die miteinander austauschbar sind. Ein bestimmtes Gramm Gold kann beispielsweise gegen jedes andere Gramm Gold ausgetauscht werden. Der Wert bleibt immer gleich. Ein Kunstwerk wie die Mona Lisa existiert dagegen nur ein einziges Mal und ist dementsprechend nicht fungibel. Dennoch könnte natürlich der reine Vermögenswert der Mona Lisa digital als fungibles Token abgebildet werden. Diese digitale Wertabbildung wäre dann als eine Art digitales Wertpapier wiederum beliebig mit anderen Werten austauschbar und könnte als gehandelt werden.  

Ein nicht fungibles Token der Mona Lisa würde sich dagegen immer auf das Originalbild beziehen. Das NFT der Mona Lisa würde die Echtheit des Bildes zertifizieren, den bzw. die Besitzer:innen des Originals benennen und könnte dabei auch festlegen, wo das Bild auszustellen ist und ob, an wen und zu welchen Bedingungen es weiterverkauft werden kann. NFT sind damit nicht mit anderen Token oder Werten beliebig austauschbar. Sie dienen vielmehr dazu Einzigartigkeit digital auszuweisen. Das gilt sowohl für Werte aus der realen Welt wie Gemälde, Immobilien oder Schmuck als auch für rein digitale Objekte wie die anfangs erwähnte Datei mit der Collage von Beeple.  

Als digitale Echtheitszertifikate ermöglichen NFT neue Geschäftsmodelle 

Der Hype, der um NFT entstanden ist, speist sich im Wesentlichen aus der Möglichkeit, mit ihnen die Herkunft eines Wertes manipulationssicher digital nachzuweisen. Daraus ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für NFT: 

  • Als Herstellernachweis für hochwertige Maschinen und Anlagen oder deren Ersatzteile.  

  • Zur Bekämpfung von Produktpiraterie: Über NFT kann stets nachverfolgt werden, wo beispielsweise eine hochwertige Uhr hergestellt wurde, welche Teile für ihren Bau verwendet wurden, wer sie verkauft und wer sie kauft. NFT sichern also die Exklusivität eines Produktes. 

  • Als digitaler Ausweis, der fälschungssicher und vor Diebstahl geschützt ist – als digitaler Impfpass, digitaler Führerschein etc.  

  • Als digitaler Lizenznachweis: Etwa für per 3D-Druck durch Servicepartner erstellte Bauteile für Maschinen und Anlage oder für Rezepturen der Pharmabranche. Auch in der Gaming-Industrie können etwa virtuelle Geschenke weiterverkauft werden. Die Spiele werden dadurch für Spieler:innen noch attraktiver. In der Kreativbranche können NFT zudem absichern, welche Tantiemen bei der Nutzung von Bildern, Musik etc. an wen und in welche Höhe fällig sind. 

  • Zur Absicherung von Compliance-Regeln bei der Anwendung von Software: Die Nutzung von Algorithmen in KI-Anwendungen lässt sich mit NFT auf die Bereiche und den Kontext beschränken, für die sie programmiert bzw. trainiert wurden. 

  • Zur Absicherung von Finanztransfers, insbesondere dort, wo Werte mit Dingen aus der realen Welt gehandelt werden wie Immobilien oder Unternehmen  

  • Theoretisch denkbar wäre auch ein Nachweis zur Herkunft von Informationen und der Echtheit von Quellen. Das würde allerdings voraussetzen, dass die beteiligten Menschen ihre Identität digital über die Blockchain nachweisen. Dafür notwendig wäre ein Internet, das weitgehend dezentral und verschlüsselt auf Blocktechnologie basiert – das ist bislang noch eine Utopie.  

Nachteile von NFT 

Der Aufbau von Apps für NFT kann sehr aufwändig sein. Da die Technologie noch recht jung ist, fehlt bislang eine Infrastruktur an entsprechenden Dienstleistern und Anbietern. Ähnlich wie bei Kryptowährungen besteht auch die Gefahr, dass sich um NFT herum Hypes und Blasen bilden, was beim Handel mit NFT unvorhersehbare Kursschwankungen nahezu unvermeidlich macht. Ein weiterer Kritikpunkt an NFT betrifft ihre Nachhaltigkeit. Blockchain-Projekte wie Ethereum haben einen Stromverbrauch, der Länder wie Portugal, Peru oder Griechenland entspricht. Der größte Teil der Energie geht dabei auf den Proof-of-Work (PoW)-Mechanismus zurück, mit dessen Hilfe die Legitimität von Transaktionen überprüft wird. Das ZKM Karlsruhe (Zentrum für Kunst und Medien), das bereits seit 2018 NFT-Kunstwerke erwirbt, hat daher den Ankauf von NFT-Kunstwerken vorerst ausgesetzt. Es gibt allerdings mittlerweile auch einige Bemühungen andere Prüfmechanismen zu entwickeln, die weniger Strom verbrauchen und damit weniger CO2 freisetzen. 

Fazit 

Die Stärken von NFT für Unternehmen liegen in der Absicherung von Marken, Produkten und Prozessen. Durch den digitalen Nachweis von Echtheit lässt sich die Exklusivität von Gütern oder Werten auch unabhängig vom Standort digital überprüfen.  Ähnlich wie auf dem Kunstmarkt können so auch in anderen Branchen neue Verkaufskanäle und Zielgruppen mithilfe von NFT erschlossen werden. Das derzeit größte Hemmnis ist allerdings die starke Volatilität auf dem Kryptomarkt, sodass NFT in den meisten Branchen derzeit nur als Ergänzung zu klassischen Vertriebswegen infrage kommen.