Wirtschaft digital Baden-Württemberg
  • Fachkräfte-Allianz stellt Studie zum künftigen Bedarf an Fachkräften in den IT-Berufen vor

    5 Millionen Euro sollen in den Ausbau der Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ und in den Bereich „Digitalisierung und berufliche Weiterbildung“ fließen

    Aktuell fehlen in Baden-Württemberg etwa 3.000 IT-Fachkräfte, bis 2030 verdoppelt sich diese Zahl auf 6.700 fehlende IT-Fachkräfte. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR, die heute in der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg unter Leitung von Wirtschafts- und Arbeitsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut vorgestellt wurde.

    „Der Fachkräfteengpass in den IT-Berufen ist heute und auch in Zukunft wirtschaftspolitisch beherrschbar. Mit der Studie haben wir verlässliche Zahlen und eine fundierte Analyse zur Fachkräftesituation im IT-Bereich. Durch die Prognosen bis zum Jahr 2030 wissen wir, womit wir rechnen müssen. So können wir passgenaue Maßnahmen in den wichtigsten Handlungsfeldern umsetzen, damit die Digitalisierung zur baden-württembergischen Erfolgsgeschichte wird“, erklärte Hoffmeister-Kraut. „Die Studie zeigt sehr plastisch, dass Baden-Württemberg trotz des aktuell ermittelten Fachkräfteengpasses in den IT-Berufen vergleichsweise gut gerüstet ist, um die Potenziale der Digitalisierung erfolgreich nutzen zu können. Dazu muss es uns aber gelingen, mehr Frauen für IT-Berufe zu gewinnen, mehr internationale IT-Fachkräfte zu rekrutieren und die Aus- und Weiterbildung weiter zu verbessern.“

    „Zurzeit besteht in Baden-Württemberg im Bereich der IT-Arbeitskräfte lediglich ein moderater Fachkräfteengpass, auch wenn dies im Einzelfall gerade von kleinen und mittleren Unternehmen anders wahrgenommen wird“, so die Projektleiterin der WifOR-Studie, Dr. Sandra Hofmann. Zu den wichtigsten IT-Berufen werden in der Untersuchung neben der Informatik auch andere IKT-Berufe wie Systemanalyse, Netzwerktechnik sowie Softwareentwicklung und Programmierung gezählt. Neben den Berechnungen des Angebots- und Nachfragepotenzials von IT-Fachkräften liefert die Studie eine detaillierte Analyse über den IT-Arbeitsmarkt. So arbeiten in Baden-Württemberg aktuell etwa 127.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den „IT-Berufen“ – und 19 Prozent aller in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigten Softwareentwickler/-innen sowie Programmierer/-innen im Südwesten.

    Besonders erfreulich sei, so Hoffmeister-Kraut, dass die Zahl der Studienanfänger/-innen in IT-Fächern vom Wintersemester 2010/2011 bis zum Wintersemester 2015/2016 um rund 20 Prozent auf 7.800 gestiegen und auch die Zahl der Absolvent/-innen in den letzten fünf Jahren um etwa 34 Prozent auf 7.900 angewachsen sei.

    Um das potenzielle Fachkräfteangebot zu erhöhen, bieten sich nach Ansicht der Forscher insbesondere zwei Stellschrauben an: zum einen eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit in den IT-Berufen, zum anderen eine verstärkte Zuwanderung ausländischer IT-Fachkräfte.

    Die Ministerin rief deshalb alle Allianzpartner auf, in der Zukunft noch stärker als bisher Frauen in der IT in den Fokus zu nehmen. Hoffmeister-Kraut: „Wir müssen das geschlechterspezifische Berufswahlverhalten weiter aufbrechen, moderne Unternehmenskulturen etablieren und eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen.“ Das Wirtschaftsministerium werde deshalb die Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ weiter ausbauen und darüber hinaus Mittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro bereitstellen, um 2018/2019 weitere Girl‘s Digital Camps und einen YouTube-Film-Wettbewerb „Girl´s go digital“ umzusetzen.

    Hoffmeister-Kraut: „Mit diesen Maßnahmen wollen wir vor allem Schülerinnen erreichen, die bislang noch nicht mit der Digitalisierung - und hier speziell mit Informatikthemen und den Treiberberufen der Digitalisierung in Berührung gekommen sind.“

    „Wir müssen aber auch noch mehr junge Menschen für eine betriebliche Ausbildung in IT-Berufen gewinnen“, so Hoffmeister-Kraut. Mit der vom Wirtschaftsministerium geförderten „Initiative Ausbildungsbotschafter“ seien knapp 100 Auszubildende in IT-Berufen bereits landesweit im Einsatz, um Schülerinnen und Schüler für eine Berufsausbildung und ihren Beruf zu begeistern. „Unser Ziel ist es, explizit mehr junge Menschen für eine betriebliche IT-Berufsausbildung zu gewinnen.“ Ein weiterer Schwerpunkt bilde „Digitalisierung und berufliche Weiterbildung“. Zusätzlich zu den bereits laufenden Projekten plane ihr Haus weitere Maßnahmen, wofür 2018/2019 3,75 Millionen Euro im Rahmen der „Digitalisierungsstrategie“ vorgesehen sind.

    Außerdem betonte Hoffmeister-Kraut, dass sie sich auf Bundesebene für eine erleichterte Zuwanderung von Fachkräften einsetzen will. „Wir brauchen ein zielgerichtetes Fachkräfte-Einwanderungs-Gesetz, das den Zuzug von Fachkräften zukünftig regelt und das sich am Bedarf von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt orientiert.“ Wichtig sei zudem, die für Akademiker bestehenden liberalen Zuwanderungsmöglichkeiten nach Deutschland noch stärker international publik zu machen. „Baden-Württemberg verfügt mit seinem flächendeckenden Netz an Welcome Centern bereits heute bundesweit über ein Alleinstellungsmerkmal. Die Center sollen sich künftig zusammen mit den entsprechenden Einrichtungen an den Hochschulen und den regionalen Wirtschaftsfördereinrichtungen verstärkt darum kümmern, ausländische Studierende an den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu binden“, kündigte Hoffmeister-Kraut an.

     

    Statements der Partner der Fachkräfteallianz

    Christian Rauch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit:
    „Ausreichend IT-Fachkräfte für die Wirtschaft in Baden-Württemberg verfügbar zu haben, wird ein wesentlicher Treiber für die Innovationskraft des Landes sein. Digitalisierung wirkt jedoch in fast alle Berufe hinein. Die daraus abzuleitende Transformation in diesen Berufen wird nur mit einer Ausweitung der Weiterbildungsanstrengungen und neuen Formen der Weiterbildung zu bewerkstelligen sein.“

     Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeber Baden-Württemberg:
    „Es freut mich, dass die vielfältigen Anstrengungen, junge Menschen für die sogenannten MINT-Berufe und hier insbesondere die IT-Berufe zu begeistern, Früchte tragen, wozu auch die Arbeitgeber etwa über deutlich mehr Ausbildungsplätze in IT-Berufen einen großen Beitrag leisteten. Allerdings wird die Freude durch die hohen Abbruchquoten in den MINT-Studiengängen getrübt. Da machen leider auch die IT-Berufe keine Ausnahme. Bewährt haben sich hier Projekte wie ‚MINToring‘ zur Unterstützung der Studierenden beim Studienbeginn. Solche Projekte flächendeckend und institutionell zu fördern, wäre sinnvoll investiertes Geld. Außerdem sollten Studienabbrecher durch bessere Beratung und konsequentere Anrechnung erbrachter Studienleistungen noch schneller zu einem erfolgreichen Berufsabschluss geführt werden.“

    Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstages:
    „Die in der Studie genannten Handlungsfeder sind auch für das Handwerk relevant. Damit kleine und mittlere Handwerksunternehmen digitale Technik für ihre Geschäftsmodelle, ihre Warenflüsse und organisatorischen Abläufe nutzen können, müssen digitale Kompetenzen vor allem in der Beruflichen Aus- und Weiterbildung verankert sein. Dafür braucht es Personalentwicklungsstrategien für die Ausbilder in den Bildungszentren und Berufsschulen. Sie müssen Knowhow vermitteln, das anschlussfähig ist zu den Ausbildungsberufen und den betrieblichen Anforderungen. Denn wir brauchen Handwerker, die mit digitaler Unterstützung individuelle Kundenwünsche erfüllen können.“

    Marjoke Breuning, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart:
    „Die Wirtschaft braucht Fachkräftenachwuchs - und die Jugendlichen brauchen berufliche Perspektiven. Mit Bildungsinitiativen, die auch schon bei den Kleinsten Neugier wecken sollen, wie dem Haus der kleinen Forscher, und beispielsweise mit der Initiative Ausbildungsbotschafter oder ‚Speed-IT‘ setzt sich die IHK Region Stuttgart dafür ein, dass die Unternehmen auch in Zukunft gute Auszubildende finden. Nur mit starken und motivierten Mitarbeitern können die Betriebe die aktuellen Herausforderungen wie etwa die Digitalisierung meistern.“

    Martin Kunzmann, Landesvorsitzender DGB-Bezirk Baden-Württemberg:„Der DGB setzt darauf, dass der Fachkräftebedarf durch eine Stärkung der Aus- und Weiterbildung gesichert werden kann. Freistellungsmöglichkeiten müssen ausgebaut und die Finanzierungsmöglichkeiten für die Beschäftigten verbessert werden. Der DGB erwartet auch, dass die Hochschulen die Zahl der Studienabbrecher deutlich verringern und die Wirtschaft die Ausbildungskapazitäten ausbaut. Die Erhöhung des Frauenanteils in den IT-Berufen erfordert eine weitere Verbesserung der Betreuungssituation für Kinder durch das Land, aber auch eine auf Chancengleichheit ausgerichtete Unternehmenskultur und eine nachhaltige Personalentwicklung unter Berücksichtigung individueller Lebensphasen.“

     

    Anhang

    Zentrale Ergebnisse der Studie:

    • Das Arbeitskräftepotenzial in den IT-Berufen beläuft sich aktuell auf rund 169.100 Personen und geht bis 2030 auf 137.000 Personen zurück (minus 19 Prozent). Dies ist vor allem durch die demografische Entwicklung zu erklären, da mehr Menschen in IT-Berufen altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als eintreten.
    • Das IT-Nachfragepotenzial liegt im Jahr 2017 bei etwa 172.100 Personen und geht bis zum Jahr 2030 auf rund 143.700 Personen zurück. Diese rückläufige Entwicklung führen die Forscher unter anderem auf die mit der Digitalisierung einhergehenden Produktivitätsgewinne zurück.

    Außerdem bietet die Studie einen aktuellen Überblick über den IT-Arbeitsmarkt:

    • So arbeiten aktuell etwa 127.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den „IT-Berufen“ – dies entspricht rund drei Prozent der 4,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Baden-Württemberg.
    • Der Frauenanteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt in den einzelnen Kernberufen zwischen zwölf bis 21 Prozent. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Teilzeitbeschäftigten fällt im IT-Bereich mit etwa neun Prozent im Vergleich zu 25 Prozent aller Berufe niedrig aus.
    • Rund neun Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über alle IT-Berufe hinweg sind Ausländer.
    • In den letzten drei Jahren ist die Zahl der in den Informatik-Berufen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um elf Prozent angestiegen – während es über alle Berufe rund fünf Prozent waren.
    • Tätigkeiten im Bereich der IT sind durch ein hohes Qualifikationsniveau geprägt. Entsprechend besteht hier ein großer Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften.
    • Die Beschäftigten im IT-Bereich konzentrieren sich v. a. auf fünf Regionen innerhalb Deutschlands: München, Berlin, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt. 19 Prozent aller Softwareentwickler und Programmierer, die in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, arbeiten in Baden-Württemberg.
    • Geringfügige Beschäftigung spielt eine untergeordnete Rolle.
    • Das Monatsgehalt einer Arbeitskraft in der Branche „Erbringung von Dienstleistungen in der IT“ betrug im Jahr 2016 im Durchschnitt 6.168 Euro/brutto. Dieser Wert liegt deutlich über dem deutschlandweiten Schnitt dieser Branche von 5.560 Euro/brutto (ähnliches gilt in der „Informations- und Kommunikationsbranche“: 5.804 Euro/brutto in Baden-Württemberg zu 5.391 Euro/brutto deutschlandweit).
    • Der wesentliche Grund für den zu erwartenden Anstieg des Fachkräfteengpasses ist, dass das Angebotspotenzial an IT-Arbeitskräften aufgrund beginnender Renteneintritte der so genannten „Baby-Boomer-Generation“ zurückgeht.

    Weitere Hintergrundinfos für die Redaktionen:
    Die Studie „Fachkräfte in den IT-Berufen zur Umsetzung der Digitalisierung in Baden-Württemberg“ wurde im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg erstellt. Die Studie wurde durch die Arbeit einer Projektarbeitsgruppe begleitet, in der der Arbeitgeberverband, Vertreter der Gewerkschaften, Kammern, die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit und IT-Fachverbände vertreten waren.

    Das Zukunftsszenario geht im WifOR-Prognosemodell von folgenden Annahmen aus:

    • Das tatsächliche Renteneintrittsalter bis zum Jahr 2030 wird von 62 Jahre auf 64 Jahre ansteigen.
    • Das Wachstum der Zahl an Absolventinnen und Absolventen (Studierende und Auszubildende) von 0,5 Prozent jährlich orientiert sich an der Prognose der Kultusministerkonferenz.
    • Der Wachstumspfad des technologischen Fortschritts beruht auf den aktuell absehbaren Entwicklungen; disruptive Innovationen in künftigen Jahren können im WifOR-Modell nicht mitberücksichtig werden.
    • Die Zahl an ausländischen Erwerbstätigen ändert sich bis zum Jahr 2030 nicht zur im Status Quo erfassten Zahl.

    In der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg sind über 40 Partner vertreten. Dies sind Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften, die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Landesverbände, Pflegeorganisationen, regionale Wirtschaftsfördergesellschaften, der Landesfrauenrat und Ministerien der Landesregierung.