Wirtschaft digital Baden-Württemberg
  • Das war die zweite Fuckup Night in Friedrichshafen

    Dass man gescheitert ist, erzählen die wenigsten gerne. Wenn es dabei um das eigene Unternehmen oder Geschäftsidee geht, kostet es vielen Überwindung, darüber zu sprechen. Doch das Teilen der Geschichten kann auch anderen helfen, nicht die gleichen Fehler zu begehen. Bei der zweiten Fuckup Night an der Zeppelin Universität Friedrichshafen am 6. Februar haben die drei Unternehmer Ralf Walther, Jan Stephan und Robert Ilse deshalb vor etwa 140 Teilnehmern ihre persönlichen Geschichten rund um das Scheitern erzählt. Die Fuckup Night wurde von cyberLAGO, dem digitalen Kompetenznetzwerk am Bodensee, in Kooperation mit dem PioneerPort, dem Gründerzentrum der ZU, und Schwäbisch Media Digital veranstaltet.

    Quelle: cyberLAGO

    Quelle: cyberLAGO

    Wer zahlt die Rechnung?

    „Ein Produkt ohne Kunde funktioniert nicht – und genau das war unser Problem“, erzählt Ralf Walther die Geschichte eines Produkts, von dem er und seine Kollegen überzeugt waren. Die Idee: Auf Basis einer automatisierten E-Mail-Analyse ein rentables Unternehmensmodell etablieren. „Wir haben das Ganze E-Dur genannt und waren begeistert von unserem Produkt – in technischer Hinsicht. Das Problem: Wir alle waren Techniker. Was uns gefehlt hat, war die andere Sicht: Wir hatten keinen einzigen Vertriebler im Team.“ Die anfängliche Begeisterung endete als Bruchlandung, denn die Vermarktung lief schleppend bis überhaupt nicht. „Wir haben versucht, uns in einem Markt zu positionieren, den es einfach nicht gab.“ Was folgte, war die Entlassung von Mitarbeitern. „Das war das Härteste. Wir mussten Leute entlassen, die Freunde geworden waren und genauso hinter dem Produkt und der Idee standen. Aber in dem Moment mussten wir einfach die Reißleine ziehen, bevor es zu spät war.“ Was Ralf Walther aus dieser Erfahrung für sein heutiges Unternehmen mitnimmt? „Du musst dich bei der Entwicklung einer Produktidee immer fragen: Wem schreibe ich später die Rechnung dafür, wer bezahlt sie und wann?“ Externe Hilfe und Beratung anzunehmen sei wichtig und hilfreich und noch nie habe es so viele Unterstützungsangebote und Anlaufstellen für Gründer gegeben wie heute. Deren Feedback sei wertvoll, auch wenn einem vielleicht gesagt werde, dass die Idee so nicht funktionieren könne. „Kein Gründer will hören, dass seine Idee nichts taugt, aber das gehört zum Gründen dazu.“ Ralf Walther rät außerdem, die vielseitigen Möglichkeiten zu nutzen, die heute mit dem Internet z. B. durch Tutorials vorhanden sind: „Es war noch nie so leicht wie heute, seine Idee zu verwirklichen.“

    Das perfekte Produkt – in der Theorie

    Eine Idee und das dazu passende Geschäftsmodell hatten auch Jan Stephan und sein Mitgründer Mario Rudhart: Mit Fenris wollten sie ein Portal schaffen, das Personal-Trainer und Trainingsgruppen digital vermittelt und so den Fitness-Anfängern den Einstieg erleichtert. In ihrem Geschäftsmodell sahen die beiden ein großes Potenzial, denn der Fitness-Markt ist enorm. Die erstellten Marktanalysen und Excel-Tabellen belegen damals, dass die Idee eine Zukunft hat – leider nur auf dem Papier. „Die Excel-Tabelle war perfekt, doch mit der Realität hatte sie wenig zu tun“, müssen die beiden Gründer irgendwann feststellen. „Wir waren zu perfektionistisch, wollten dem Kunden bereits das optimale Produkt präsentieren und haben dabei verpasst, überhaupt mit irgendwelchen Kunden zu sprechen.“ In der WG-Küche klang alles nach dem perfekten Produkt und dem perfekten Geschäftsmodell. Doch das war auch der einzige Ort, denn sonst hatte noch immer niemand über Fenris gesprochen, geschweige denn es ausprobiert. Letztendlich mussten die beiden akzeptieren, dass es auf diese Weise nicht funktionieren konnte. „Du musst deinem Kunden etwas präsentieren können, wir hatten aber einfach keinen Prototypen – bis zum Schluss nicht. Dabei ist das das A und O, denn nur so kann man feststellen, ob die Idee überhaupt ankommt und genutzt wird.“ Was sie außerdem gelernt haben: „Das soziale Management darf man nicht unterschätzen. Es wird Durststrecken geben, das muss man als Partner aushalten können. Deshalb muss man sich gut überlegen, wen man sich als Partner dazu holt.“ Mittlerweile haben die beiden erneut gegründet: „Dieses Mal haben wir als erstes den Prototypen entwickelt und Kundengespräche geführt, nochmal begehen wir diesen Fehler nicht.“

    Von heute auf morgen illegal

    Aus seinen Fehlern gelernt hat auch Robert Ilse: „Ich war einfach viel zu naiv.“ Als damals ein Partner mit einer Geschäftsidee auf ihn zukommt, steigt Robert ohne große Bedenken mit ein. Denn das Modell Lotmax ist einfach, klingt vielversprechend und der Markt dafür ist vorhanden: Lotto per SMS spielen, zu einer Zeit, wo es noch keine Smartphones gibt und Milliarden von SMS im Jahr geschrieben wurden. „Das Ganze hat zunächst auch super funktioniert, sodass sogar die BILD darauf aufmerksam wurde und mit riesigen Marketingmaßnahmen und ihrem Vetriebsnetz einsteigen wollte.“ Plakate und Banner wurden gedruckt, alles lief gut. Bis sich die Gesetzeslage änderte. „Lotmax basierte auf dem Lotterie-Staatsvertrag. Dieser wurde geändert, wodurch das Geschäftsmodell von einem Tag auf den anderen illegal wurde. Ich hätte mich bei der Fortführung strafbar gemacht, genauso als würde ich Drogen verkaufen.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte Robert Ilse nicht nur unzählige Teilnahmekarten drucken lassen, sondern auch schon eine große Summe an Eigenkapital in das Modell gesteckt. „Ich war wirklich ein bisschen größenwahnsinnig. Anstatt erstmal klein anzufangen, habe ich Millionen dieser Karten drucken lassen. Ich dachte, alles sei möglich.“ Doch mit der Gesetzesänderung war Lotmax von heute auf morgen gestorben. „Natürlich hat auch die BILD davon Wind bekommen und ist direkt wieder ausgestiegen.“ Wie sich Jahre später herausstellte, wurde der geänderte Lotterie-Staatsvertrag letztendlich vor dem Europäischen Gerichtshof in dieser Ausprägung gerügt. „Im Grunde bin ich Opfer einer Gesetzesänderung geworden, die illegal war“, fasst Robert Ilse zusammen. Das Projekt Lotmax war trotzdem Geschichte. Das Fazit: „Man muss einfach prüfen, worauf man sich einlässt, und das öfters hinterfragen. Ich bin zu blauäugig in diese Geschichte reingegangen und am Ende zum Glück finanziell wieder auf die Beine und damit mit einem blauen Auge davongekommen.“

    Quelle: cyberLAGO

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