Sicherheit und Verteidigung als Zukunftsthema
Chancen und Fragen im Kontext digitaler Technologien

Sicherheit und Verteidigung als Zukunftsthema: Chancen und Fragen im Kontext digitaler Technologien
„Sicherheit und Verteidigung“ (SV) sind spätestens seit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine keine Themen mehr, die in weiter Ferne und nur in den Nachrichten stattfinden. Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben SV oben auf die Prioritätenliste gesetzt und entsprechende Mittel dafür geplant, sowie Initiativen initiiert. Darin inbegriffen ist auch das Thema Cybersicherheit, das immer relevanter wird. Dieser Beitrag soll Chancen aufzeigen und auch offene Fragen thematisieren, auf die es keine leichten und schnellen Antworten gibt.
Sicherheit und Verteidigung als Zukunftsthemen
SV sind längst nicht mehr allein Themen für Staaten oder große Konzerne, sondern entwickeln sich auch für den Mittelstand zu einem Zukunftsfeld. Besonders deutlich zeigt sich das im Bereich der Cybersicherheit. Mittelständische Betriebe geraten immer häufiger ins Visier von Angreifern, sei es durch Ransomware, Datendiebstahl oder gezielte Sabotage. Da sie stark in Lieferketten eingebunden sind und zunehmend digitale Technologien wie Cloud-Dienste, KI oder das Internet der Dinge nutzen, wächst ihre Verwundbarkeit stetig. Hinzu kommt, dass europäische Regulierungen wie die NIS2-Richtlinie höhere Sicherheitsstandards vorschreiben, die auch kleinere Unternehmen unmittelbar betreffen.
Neben der digitalen Dimension rückt auch die physische Sicherheit stärker in den Fokus. Geopolitische Spannungen, Energieengpässe und unterbrochene Lieferketten wirken sich direkt auf die Geschäftstätigkeit des Mittelstands aus. Resilienz bedeutet hier nicht nur, Krisen zu überstehen, sondern sich aktiv darauf vorzubereiten: durch Notfallpläne, redundante Lieferbeziehungen und den Schutz kritischer Produktionsanlagen. Szenarien wie Blackouts, Naturkatastrophen oder gezielte Sabotage sind keine abstrakten Risiken mehr, sondern müssen in der unternehmerischen Planung berücksichtigt werden.
Darüber hinaus wird auch die wirtschaftliche Verteidigungsfähigkeit zu einem relevanten Aspekt. Der Mittelstand ist Rückgrat von Innovation und industrieller Wertschöpfung, gerade in Bereichen, in denen Technologien sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können (Dual Use). Politik und Gesellschaft erwarten zunehmend, dass Unternehmen zur technologischen Souveränität beitragen. Dadurch eröffnet sich für viele Betriebe ein Wachstumsfeld, sei es als Zulieferer oder als Entwickler neuer Sicherheits- und Verteidigungstechnologien.
Insgesamt zeigt sich, dass Sicherheit und Verteidigung für den Mittelstand sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance darstellen. Unternehmen, die dieses Thema strategisch verankern, sichern nicht nur ihre Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten, sondern erschließen sich auch neue Märkte, erfüllen regulatorische Anforderungen und stärken ihr Vertrauen im Wettbewerb. Sicherheit wird damit zu einem entscheidenden Zukunftsthema, das über den langfristigen Erfolg vieler mittelständischer Betriebe mitentscheidet.
Chancen und Geschäftsfelder
SV sind nicht nur mit Risiken und Pflichten verbunden, sondern eröffnen dem Mittelstand auch vielfältige Chancen. Die wachsende Nachfrage nach resilienten Strukturen, technologischem Know-how und vertrauenswürdigen Partnern führt dazu, dass mittelständische Unternehmen neue Geschäftsfelder erschließen und ihre Innovationskraft gezielt einsetzen können. Wer frühzeitig erkennt, welche Entwicklungen sich abzeichnen, kann sich nicht nur absichern, sondern aktiv von diesem Zukunftsmarkt profitieren.
Dual-Use-Technologien
- Entwicklung von Sensorik, Robotik, Datenanalyse oder KI, die sowohl zivil als auch sicherheitsrelevant eingesetzt werden können.
- Erschließung neuer Märkte durch flexible, innovative Lösungen in Nischenbereichen.
Digitale Souveränität
- Nationale und europäische Strategien schaffen Nachfrage nach lokalen IT- und Softwarelösungen.
- Mittelständische Anbieter können spezialisierte Cybersecurity-Produkte entwickeln, die sich von globalen Standardlösungen abheben.
- Chance, als vertrauenswürdiger europäischer Partner in sicherheitskritischen Bereichen sichtbar zu werden.
Resilienz & Krisenvorsorge als Markt
- Entwicklung von Lösungen zur Stabilisierung von Liefer- und Produktionsketten (z. B. Ersatzteilkonzepte, Energie- und Speichertechnologien, resiliente Logistik).
- Positionierung als strategischer Partner, der nicht nur Produkte liefert, sondern Widerstandsfähigkeit ermöglicht.
Beratung & Schulung
- Aufbau von Dienstleistungen rund um Sicherheitskultur, Notfallmanagement und Mitarbeiterschulungen.
- Entwicklung von Trainingsprogrammen und Sensibilisierungskampagnen als eigenständiges Geschäftsfeld.
- Export von Know-how über die eigene Branche hinaus.
Öffentliche Nachfrage & Verteidigungsbudgets
- Wachsende staatliche Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung schaffen neue Märkte.
- Bedarf an zuverlässigen, innovativen Partnern in Forschung, Entwicklung und Produktion.
- Frühzeitige Positionierung ermöglicht langfristige Beteiligung an neuen Wertschöpfungsketten.
Hürden und Besonderheiten bei SV
Wenn Unternehmen den Schritt in das Feld Sicherheit und Verteidigung erwägen, begegnen sie einer Reihe von besonderen Herausforderungen, die weit über die üblichen Marktmechanismen hinausgehen. Zunächst sind die regulatorischen und politischen Rahmenbedingungen komplex und anspruchsvoll. Der Sektor ist stark reguliert, Zulassungsverfahren und Exportkontrollen sind aufwendig und mitunter langwierig, und internationale Vorschriften wie die europäische Dual-Use-Verordnung oder US-amerikanische Bestimmungen wie ITAR und EAR beeinflussen Geschäftsmodelle direkt. Wer hier erfolgreich sein will, muss nicht nur technologische Kompetenz, sondern auch ein hohes Maß an rechtlichem und administrativem Know-how mitbringen und bereit sein, eng mit staatlichen Institutionen zusammenzuarbeiten.
Darüber hinaus ist Vertrauen in diesem Feld ein entscheidender Erfolgsfaktor. Staatliche Auftraggeber, Partnerunternehmen und Kunden erwarten strenge Compliance, absolute Geheimhaltung und den Nachweis höchster Sicherheitsstandards. Schon kleinere Verstöße oder Zweifel an der Zuverlässigkeit können dazu führen, dass Geschäftsmöglichkeiten dauerhaft verloren gehen. Damit wird Reputation zu einem strategischen Gut, das geschützt und aktiv gepflegt werden muss.
Auch die technologische Komplexität ist nicht zu unterschätzen. Sicherheitstechnologien erfordern häufig hohe Entwicklungsaufwände, lange Innovationszyklen und beträchtliche Investitionen. Gerade für mittelständische Unternehmen stellt sich die Frage, ob sie die notwendigen Ressourcen langfristig bereitstellen können. Oft sind Kooperationen, Cluster oder Partnerschaften notwendig, um Innovationskraft zu bündeln und Lieferfähigkeit zu sichern.
Gleichzeitig bewegen sich Unternehmen in einem Spannungsfeld zwischen internationalen Märkten und nationalen Interessen. Sicherheit und Verteidigung sind global verflochten, doch die Absatzmöglichkeiten werden durch Exportbeschränkungen und nationale Strategien begrenzt. Abhängigkeiten von Zulieferern außerhalb Europas können zudem zu strategischen Risiken führen, wenn Lieferketten in Krisenzeiten unterbrochen werden.
Schließlich ist die Langfristigkeit solcher Engagements eine Herausforderung. Projekte in diesem Bereich erstrecken sich oft über viele Jahre oder Jahrzehnte, während Budgets und politische Prioritäten sich in vergleichsweise kurzen Zyklen ändern können. Für mittelständische Betriebe bedeutet das, eine gewisse Planungsunsicherheit auszuhalten und dennoch die strategische Geduld aufzubringen, um über lange Zeiträume hinweg zuverlässig liefern zu können. Insgesamt zeigt sich also: Der Einstieg in das Feld Sicherheit und Verteidigung erfordert weit mehr als technologische Stärke. Und eine wichtige Frage muss dabei immer berücksichtigt werden: Wie sieht es mit den Werten hinter einem möglichen Engagement im Bereich SV aus?
Ethik und Verantwortung im Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik
Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen ist beim Thema SV von zentraler Bedeutung für Unternehmen, die überlegen, in diesen Sektor einzutreten. Anders als in vielen anderen Industrien geht es hier nicht nur um technologische Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit, sondern auch um die gesellschaftliche Dimension des eigenen Handelns. Produkte oder Dienstleistungen, die in sicherheits- oder verteidigungsrelevanten Kontexten eingesetzt werden, können direkte Auswirkungen auf Menschenleben, internationale Konflikte und gesellschaftliche Stabilität haben. Damit berührt jedes Engagement in diesem Feld unausweichlich moralische Grundsatzfragen: Welche Technologien sollen entwickelt werden? Wo liegt die Grenze zwischen ziviler und militärischer Nutzung? Und inwiefern ist ein Unternehmen mitverantwortlich für die Folgen seines Tuns?
Für den Mittelstand, der oft eng in regionale Strukturen eingebunden ist und ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Mitarbeitenden, Partnern und Kunden pflegt, sind diese Fragen noch sensibler. Ein fehlender ethischer Kompass oder mangelnde Transparenz kann schnell zu Kritik seitens Belegschaft, Investoren oder der Öffentlichkeit führen. Umgekehrt kann eine klare Haltung, die Werteorientierung und Verantwortung sichtbar macht, einen wichtigen Beitrag zur Reputation leisten und sogar als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb wirken.
Gerade deshalb ist der Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unverzichtbar. Die Wirtschaft bringt technologische Expertise und Innovationskraft ein, während die Wissenschaft in der Lage ist, Entwicklungen aus einer neutralen, analytischen Perspektive zu reflektieren und normative Grundlagen aufzuzeigen. Die Politik wiederum setzt die Rahmenbedingungen, formuliert gesellschaftliche Ziele und definiert Grenzen für den Einsatz bestimmter Technologien. Erst durch diesen Austausch können tragfähige Leitlinien entstehen, die Innovation ermöglichen, ohne ethische Bedenken auszublenden.
Für Unternehmen bedeutet das: Die Auseinandersetzung mit Ethik darf nicht als nachgelagerte Rechtfertigung verstanden werden, sondern muss integraler Bestandteil der strategischen Ausrichtung sein. Der kontinuierliche Dialog über Verantwortung und Grenzen ist nicht nur ein Schutz vor Reputationsrisiken, sondern auch eine Chance, aktiv an der Gestaltung eines verantwortungsvollen Sicherheits- und Verteidigungssektors mitzuwirken.
Beratungsangebote und Initiativen in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg gibt es mittlerweile mehrere Beratungsangebote und Initiativen, die sich mit Sicherheit, Cybersicherheit und Verteidigung befassen; maßgeblich für Unternehmen vor allem KMU. Manche Angebote sind direkt auf Verteidigungs-/ Rüstungsfragen ausgelegt, andere eher auf angrenzende Felder wie Cyber/ IT-Sicherheit oder rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen.
Hier ist ein Überblick:
1. Beratungsangebote der Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg (CSBW)
Die CSBW bietet zusätzliche Unterstützungs- und Beratungsdienstleistungen an, z. B. Materialien zur Prävention, Factsheets, Sensibilisierung und im Ernstfall die „Cyber-Ersthilfe BW“. Letztere ist für Unternehmen, Behörden oder Kommunen gedacht, die bereits Opfer eines Cyberangriffs sind oder einen Verdacht haben.
2. IHK-Beratungen & Informationsveranstaltungen
Die Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg bieten über ihre regionalen Beratungsstellen Veranstaltungen und Informations-Workshops zu Themen wie Aufträgen aus der Verteidigungswirtschaft, Zulieferer werden etc. Sie beraten Firmen, wie man sich auf Vergabeverfahren vorbereitet, welche gesetzlichen Anforderungen bestehen. Beispiel: Veranstaltung „Aufträge rund um Sicherheit und Verteidigung“ der IHK Region Stuttgart.
3. Politische Foren & Runder Tisch Sicherheit und Verteidigung
Das Land Baden-Württemberg initiiert Gremien und Dialogformate, in denen Unternehmen, Wissenschaft, Staat und Militär zusammenkommen, um Themen rund um Sicherheit und Verteidigung zu besprechen. Diese können eine gute Gelegenheit sein, Netzwerke zu knüpfen und sich über Anforderungen, Chancen und Erwartungen in diesem Bereich zu informieren.