Erst wenige Jahre ist es her, da war die Entwicklung neuer Anwendungen für geschäftliche und private Nutzer untrennbar mit einem verbunden: Programmieren. Es musste neuer Code geschrieben werden, um neue Möglichkeiten zu kreieren. Seit dem Vormarsch von Low- und No-Code ist das Programmieren zwar nicht gänzlich von gestern. Fakt ist aber, dass die Plattformtechnologien durch ihre Baukastenstruktur maßgeblich die Digitalisierung von Unternehmen erleichtern, die personell und technologisch weniger Kapazitäten haben.
Low-Code und No-Code: Softwareentwicklung neu gedacht
Low-Code und No-Code zielen darauf ab, Anwendungen mit deutlich reduziertem Programmieraufwand zu erstellen. Während bei klassischen Softwareprojekten oft umfangreiche Programmierkenntnisse erforderlich sind, ermöglichen Low-Code- und No-Code-Plattformen die Entwicklung über visuelle Benutzeroberflächen und vordefinierte Bausteine. Bei Low-Code-Plattformen steht dabei die visuelle Modellierung im Vordergrund, jedoch können komplexere Anforderungen durch das Hinzufügen von manuellem Code – etwa in JavaScript oder Python – ergänzt werden. Diese Methode richtet sich in erster Linie an Entwickler, die schneller und effizienter arbeiten wollen, aber dennoch die Möglichkeit haben möchten, individuelle Logik umzusetzen.
No-Code-Plattformen gehen noch einen Schritt weiter: Sie erlauben auch Nutzern ohne technische Vorkenntnisse, sogenannte „Citizen Developers“, Anwendungen zu erstellen – vollständig ohne Programmierung. Alles geschieht über einfache Konfiguration, Drag-and-Drop-Oberflächen und vorgefertigte Funktionen. Solche Tools werden vor allem im geschäftlichen Umfeld eingesetzt, etwa um interne Prozesse zu automatisieren oder kleine Webanwendungen zu erstellen.
Von HyperCard bis PowerApps
Die Grundidee hinter visueller Softwareentwicklung lässt sich bis in die 1980er-Jahre zurückverfolgen, etwa mit Werkzeugen wie HyperCard oder später Visual Basic. Der Begriff „Low-Code“ selbst wurde allerdings erst 2014 von dem Marktforschungsunternehmen Forrester Research geprägt. In den folgenden Jahren wurde auch der Begriff „No-Code“ immer gebräuchlicher, obwohl entsprechende Plattformen schon vorher existierten.
Zu den frühen und heute noch bedeutenden Low-Code-Plattformen gehören Unternehmen wie OutSystems (gegründet 2001 in Portugal) und Mendix (2005 in den Niederlanden). Auch Appian und Salesforce (mit der Lightning-Plattform) sowie Microsoft mit PowerApps (ab 2016) prägten den Markt. Im Bereich No-Code zählen Tools wie Zapier (2011), Webflow (2013), Glide oder Bubble (2012) zu den wichtigsten Anbietern.
Anwendungsmöglichkeiten für KMU
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können Low-Code- und No-Code-Plattformen auf vielfältige Weise einsetzen, um ihre Digitalisierung voranzutreiben – ganz ohne große IT-Budgets oder umfangreiche Entwicklerteams. Hier sind die wichtigsten Anwendungsfelder und Vorteile:
Prozessautomatisierung
KMU haben oft viele wiederkehrende, manuelle Aufgaben – z. B. Datenübertragungen zwischen Systemen, E-Mail-Benachrichtigungen, Angebots- oder Rechnungsstellung. No-Code-Tools wie Zapier, Make (ehemals Integromat) oder Microsoft Power Automate ermöglichen es, solche Aufgaben zu automatisieren, ohne eine Zeile Code schreiben zu müssen.
Beispiel: Ein neues Kontaktformular auf der Website löst automatisch eine Bestätigungsmail aus, legt den Kontakt in der CRM-Datenbank an und erstellt einen Kalendereintrag für ein Beratungsgespräch.
Entwicklung eigener Anwendungen
Statt teure Individualsoftware zu beauftragen, können KMU mit Low-Code- oder No-Code-Plattformen eigene Lösungen bauen – etwa für Kundenverwaltung (CRM), Lagerverwaltung, interne Tools oder Bestellprozesse.
Tools wie Airtable, Glide, AppSheet oder Bubble bieten einfache Oberflächen, mit denen z. B. ein Mitarbeiter ohne IT-Hintergrund eine funktionale App zur Mitarbeiterplanung oder Auftragsverfolgung erstellen kann.
Interne Tools & Dashboards
Viele KMU kämpfen mit verstreuten Daten in Excel-Tabellen, E-Mails oder alten Systemen. Mit Low-Code-Plattformen wie Retool, Budibase oder Microsoft Power Apps lassen sich benutzerdefinierte Oberflächen erstellen, um diese Daten zentral und benutzerfreundlich darzustellen.
Beispiel: Ein internes Dashboard für die Geschäftsführung, das Lagerbestand, Umsatzdaten und offene Kundenanfragen in Echtzeit aus verschiedenen Quellen anzeigt.
Kundenportale & Self-Service-Lösungen
Mit No-Code-Webbuildern wie Webflow, Softr oder Thunkable können Unternehmen Online-Portale, Buchungssysteme oder Supportbereiche selbst erstellen – ohne Agenturkosten.
Beispiel: Ein kleines Hotel erstellt mit einem No-Code-Tool ein eigenes Kundenportal, über das Gäste buchen, ihre Daten verwalten und Rechnungen abrufen können.
Schnellere Prototypen und Minimum MVPs
Gerade für KMU mit innovativen Ideen oder neuen digitalen Geschäftsmodellen lohnt sich ein schneller Einstieg durch einen Prototyp oder ein Minimum Viable Product (MVP). Mit No-Code-Tools können diese innerhalb von Tagen statt Monaten umgesetzt und am Markt getestet werden.
Vorteile für KMU
Der Einsatz von Low-Code- und No-Code-Plattformen bietet für KMU zahlreiche Vorteile – vor allem in Zeiten steigenden Digitalisierungsdrucks und begrenzter IT-Ressourcen. Einer der größten Pluspunkte ist die Möglichkeit, Softwarelösungen deutlich schneller und kostengünstiger zu entwickeln als mit klassischen Programmieransätzen, auch ohne IT-Fachkräfte. Das ermöglicht es KMU, ihre Geschäftsprozesse eigenständig zu digitalisieren, etwa durch individuelle Tools für Kundenmanagement, Lagerverwaltung, interne Antragsprozesse oder einfache Webanwendungen.
Darüber hinaus sorgt der Einsatz solcher Plattformen für eine höhere Flexibilität: Anpassungen oder Erweiterungen an bestehenden Anwendungen können jederzeit vorgenommen werden – ohne lange Entwicklungszyklen oder teure externe Dienstleister. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und IT verbessert, da beide Seiten enger in die Entwicklung eingebunden sind. Für viele KMU bedeutet das nicht nur eine Entlastung der internen IT, sondern auch eine stärkere Eigenverantwortung und Innovationskraft in den operativen Teams.
Herausforderungen
Trotz dieser Vorteile gibt es auch einige Herausforderungen zu beachten gilt. Eine zentrale Hürde besteht in der Auswahl und Einführung der richtigen Plattform: Nicht jede Lösung passt zu den individuellen Anforderungen, bestehenden IT-Systemen oder regulatorischen Vorgaben eines Unternehmens. Besonders beim Thema Datenschutz – etwa in Bezug auf die DSGVO – müssen KMU sorgfältig prüfen, ob die gewählten Tools konform sind und wo die Daten verarbeitet werden. Auch bei sehr komplexen oder hochgradig integrierten Systemlandschaften stoßen No-Code- oder Low-Code-Lösungen schnell an ihre Grenzen. In solchen Fällen kann weiterhin klassische Softwareentwicklung erforderlich sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema Governance: Wenn Fachabteilungen ohne IT-Beteiligung beginnen, eigene Anwendungen zu bauen, besteht das Risiko von Schatten-IT, unkontrollierter Datenverarbeitung oder Sicherheitslücken. Deshalb sollten Unternehmen klare Regeln und Prozesse für die Nutzung von Low-Code- und No-Code-Plattformen definieren und die IT-Abteilung frühzeitig einbinden.
Insgesamt bieten diese Technologien für KMU eine große Chance, digitale Lösungen eigenständig und effizient umzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Einführung strategisch geplant, technisch begleitet und unter Berücksichtigung regulatorischer Aspekte erfolgt.