Quantencomputing und Künstliche Intelligenz in Baden-Württemberg

Eine Zukunftsvision

Digitale Datenströme im Rechenzentrum

August 2024


In den letzten Jahrzehnten hat sich die Informationstechnologie rasant entwickelt, und klassische Computer haben immer höhere Rechenleistungen ermöglicht. Doch ein neues Paradigma steht am Horizont und verspricht, die Art und Weise, wie wir Informationen verarbeiten, grundlegend zu verändern: Quantencomputing. Diese revolutionäre Technologie basiert auf den Prinzipien der Quantenmechanik und könnte zusammen mit Künstlicher Intelligenz (KI) Probleme lösen, die für klassische Computer unzugänglich bleiben. Bereits heute ist diese Kombination ein Thema für Unternehmen, da sie enorme Rechenleistung und innovative Lösungen in kürzerer Zeit verspricht.

Grundlagen des Quantencomputings

Im Kern unterscheidet sich Quantencomputing von klassischem Computing durch die Art und Weise, wie Informationen verarbeitet und gespeichert werden. Während klassische Computer Bits verwenden, die entweder den Zustand 0 oder 1 annehmen, nutzen Quantencomputer Quantenbits oder Qubits. Qubits können dank der Prinzipien der Superposition und Verschränkung mehrere Zustände gleichzeitig annehmen.

Durchbrüche im Quantencomputing

2019 konnte Google erstmals zeigen, dass ein Quantencomputer auf Basis eines supraleitenden Prozessors („Quantenchip“) ein Problem schneller lösen konnte als konventionelle Computer. Googles Quantencomputer löste eine Aufgabe in nur 200 Sekunden, für die der damals schnellste Supercomputer der Welt 10.000 Jahre benötigt hätte.

Chinesische Forscher erzielten 2020 einen weiteren Durchbruch. Sie nutzten einen Quantenrechner mit 56 Qubits, der eine komplexe Aufgabe in nur 70 Minuten löste, die Googles Quantenrechner in 16 Tagen bewältigt hätte. Dies zeigt, dass durch das Hinzufügen weniger Qubits die Rechenleistung von Quantencomputern exponentiell wächst.

Im Jahre 2021 verfügten die am weitesten entwickelten Quantenrechner über rund 100 Qubits, doch Prognosen sahen bereits in den kommenden Jahren einen enormen Zuwachs voraus. Dieser ist auch eingetreten und 2024 gelang deutschen Physikern ein weiterer bemerkenswerter Durchbruch, da sie einen Quantenprozessor mit mehr als 1.000 atomaren Qubits in einer Ebene konstruierten. Diese Leistung wurde durch eine neue Methode erreicht, die die bisherige Beschränkung der Laserleistung überwindet und die Kombination mehrerer Laser und optischer Pinzettenfelder erlaubt.

Künstliche Intelligenz: Ein Schlüssel zur Zukunft

Auch Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und ist zu einem integralen Bestandteil vieler technischer Lösungen geworden, was zu einer immer weiteren Nutzung bei Unternehmen führt. Die Kombination von Quantencomputing und KI verspricht, diese Entwicklung auf ein neues Niveau zu heben. KI-Systeme können von der enormen Rechenleistung von Quantencomputern profitieren, um komplexe Datenanalysen durchzuführen und Muster in großen Datensätzen zu erkennen.

Das hybride maschinelle Lernen kombiniert klassische Ansätze mit denen des Quantencomputing und bietet bessere Generalisierungsfähigkeiten bei weniger benötigten Trainingsdaten. Solche hybriden Algorithmen könnten die Effizienz und Leistungsfähigkeit von KI-Systemen erheblich verbessern. Quantengestützte Lösungen für kombinatorische Optimierungsprobleme bieten bessere Heuristiken als derzeit verfügbare. Quanteninspirierte Algorithmen, die spezifische Quanteneffekte auf klassischen Computern imitieren, laufen bereits heute produktiv und zeigen vielversprechende Ergebnisse.

Quantencomputing soll zudem durch die Simulation quantenmechanischer Systeme zu genaueren Lösungen führen als bisher möglich. Dies ist besonders essenziell für z.B. Arzneimitteldesign, da präzisere Simulationen die Entwicklung effizienterer Medikamente ermöglichen.

Herausforderungen

Trotz des enormen Potenzials gibt es noch erheblichen Herausforderungen, denn Qubits sind extrem anfällig für Störungen und Fehler. Die Entwicklung robuster Fehlerkorrekturmechanismen ist daher entscheidend. Ebenso ist die Skalierbarkeit problematisch, da der Aufbau großer Quantencomputer technisch äußerst anspruchsvoll ist. Zudem erfordert die Integration von Quantencomputern in bestehende Technologieinfrastrukturen neue Programmiersprachen, Algorithmen und Schnittstellen.

Auf absehbare Zeit wird es wohl keine Quantencomputer geben, deren Anschaffung und Betrieb sich für einzelne Unternehmen rechnet. Um dennoch Zugang zu ermöglichen, wäre eine Möglichkeit Quantencomputer als Cloudservice anzubieten.

Quantencomputing und KI in Baden-Württemberg

Der IBM Q System One Quantencomputer des Kompetenzzentrums Quantencomputing Baden-Württemberg (KQC BW) am Standort Ehningen ist ein Paradebeispiel für diesen Ansatz und wird von Unternehmen und Forschungseinrichtungen intensiv genutzt. Ehningen stellt damit trotz der Probleme um die Quantum-Gardens die Weichen dafür, zu einem Zentrum für Quantencomputing in Deutschland und Europa zu werden.

Baden-Württemberg hat sich auch mit weiteren Standorten als Vorreiter in der Quantenforschung etabliert. Dies ist u.a. deshalb möglich, weil das Land Forschung zum Thema Quantencomputing mit rund 40 Millionen Euro gefördert und im Mai 2024 eine weitere Investition von 20 Mio. Euro zum Ausbau des KQC BW beschlossen hat. Das Kompetenzzentrum beherbergt den IBM Q System One, der als Cloudservice für Unternehmen und Forschungseinrichtungen zugänglich ist. Diese Infrastruktur ermöglicht es lokalen Unternehmen und Forschern, mit Quantencomputing und KI zu experimentieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Das Fraunhofer-Institut untersucht im Kompetenzzentrum das Potential des Quantencomputings anwendungsorientiert und erforscht robuste und zuverlässige quantengestützte Lösungen für Anwendungsfälle im Bereich des maschinellen Lernens, der kombinatorischen Optimierung und Simulation. Die Erforschung, Entwicklung und Erprobung neuer Methoden, Werkzeuge und Vorgehensweisen für Quantencomputing, soll zukünftig die Nutzung hybrider Quantenanwendungen und -algorithmen durch die Wirtschaft ermöglichen.

Fazit

Quantencomputing und Künstliche Intelligenz stehen kurz davor, eine der größten technologischen Revolutionen des 21. Jahrhunderts zu werden. Unternehmen sollten daher bereits jetzt anfangen, sich mit diesen Technologien auseinanderzusetzen und Möglichkeiten zu prüfen, wie sie in ihre Abläufe integriert werden können. Es gibt zahlreiche potenzielle Optimierungen in wirtschaftlichen Bereichen, Strukturen und Prozessen, die wahrscheinlich realisiert werden. Innovative Lösungen für bestehende Herausforderungen und die transformative Wirkung von Quantencomputing und KI stellen für viele Unternehmen eine Herausforderung dar. Allerdings können sie, durch frühzeitige Vorbereitung und intensive Auseinandersetzung mit diesen Technologien, die entstehenden Chancen nutzen. Baden-Württemberg könnte hierbei eine zentrale Rolle spielen und sich als globales Zentrum für Quantencomputing und Künstliche Intelligenz etablieren, das entscheidende Impulse für die Zukunft gibt.