Die geopolitische Situation in der Ukraine und der mögliche Stopp von Gaslieferungen aufgrund der EU-Sanktionen gegen Russland stellen nicht nur die wirtschaftliche Resilienz deutscher Unternehmen auf eine harte Probe, sondern drohen wie ein Damoklesschwert auch auf das soziale Gefüge unserer Gesellschaft niederzugehen. Angesichts von Energie- und Ressourcenverknappung und den damit verbundenen Teuerungsraten rückt die unternehmerische soziale Verantwortung, Corporate Social Responsibility (CSR), immer stärker in den Fokus. 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht die Herausforderung der geplanten Gasumlage darin, die Versorgung der Bevölkerung und der Unternehmen zu gewährleisten. Mit der Gasumlage nimmt der Minister nicht nur die Bevölkerung als Endverbrauchende, sondern auch die Unternehmen und indirekt ihre soziale Verantwortung in die Pflicht. Eine steigende Verteuerung und Umlage des Gaspreises wird sowohl Verbraucherinnen und Verbraucher als auch Unternehmen finanziell belasten. Die Nachbesserungen an der geplanten Gas-Redistribution wurden derweil notwendig, nachdem kritisiert wurde, dass auch Unternehmen mit hohen Gewinnmargen von der Umlage profitieren können, ohne dass sie zwangsläufig ihrer sozialen Verantwortung nachkommen.  

Dass Maßnahmen zur Energie- oder Ressourceneinsparung ökonomische Vorteile bringen und daher nachhaltigkeitsorientieres Verhalten nicht im Widerspruch zu ökonomischem Erfolg stehen muss, ist vielen Unternehmerinnen und Unternehmern bereits bewusst. Aus sozial verantwortlichem Handeln gezielt ökonomischen Nutzen zu ziehen, ist besonders dann zu befürworten, wenn Unternehmen bewusst über gesetzliche Vorgaben hinaus ethisch handeln, schreiben Baumgartner und Gelbmann zur strategischen Implementierung von CSR in KMU.

CSR in der Unternehmenswirklichkeit 

Der Terminus Corporate Social Responsibility hat sich in der deutschen Unternehmenslandschaft seit den 2010er Jahren zunehmend etabliert. Aber auch zuvor waren sich Unternehmerinnen und Unternehmer der Notwendigkeit ihres gesellschaftlichen Engagements durchaus bewusst: Der damalige Präsident des Deutsches Industrie- und Handelskammertags, Hans Heinrich Driftmann, umschrieb dieses Pflichtbewusstsein als das Gebaren des „ehrbaren Kaufmanns“. 

Im August 2012 veröffentlichte der DIHK ein Unternehmensbarometer mit dem Titel "Gesellschaft gewinnt durch unternehmerische Verantwortung" zur praktischen Umsetzung von CSR in deutschen Unternehmen. An der Online-Umfrage beteiligten sich bundesweit knapp 2.000 Firmen und Betriebe. Im Ergebnis der Studie gaben 98 Prozent der befragten Unternehmen mit mindestens zwanzig Mitarbeitenden an, sich über die gesetzlichen Anforderungen hinaus für die Gesellschaft zu engagieren. Der DIHK sah damit Unternehmen und Betriebe in Deutschland hoch motiviert, aktiv und gezielt gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und sich für gesellschaftliche Belange engagieren zu wollen. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen und Schlussfolgerungen kam der TÜV Rheinland mit einer Online-Umfrage unter Berliner Unternehmen in 2007; hier zeigten 91 Prozent der befragten Firmen und Betriebe, dass sie ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. 

Konkret geht es bei CSR um faire Geschäftspraktiken, Mitarbeitenden-orientierte Personalpolitik, den sparsamen Einsatz von Ressourcen, den Schutz von Klima und Umwelt sowie das Engagement vor Ort und sozialer Verantwortung entlang der Lieferkette. Der DIHK stellte darüber hinaus in seiner Studie fest, dass deutsche Unternehmen sich besonders auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie auf Maßnahmen der Alters- und Gesundheitsvorsorge der Mitarbeitenden fokussierten sowie das Lieferkettenmanagement immer wichtiger nahmen: Ein gutes Viertel der Unternehmen wolle künftig noch stärker ihre Lieferanten danach auswählen, ob diese sozial und ökologisch verantwortungsvoll produzieren, so der DIHK in 2006. 

Zwei Personen an einem Tisch klatschen sich mit den Händen ab. High Five.

Ethische Grundlagen von CSR 

Corporate Social Responsibility ist eng verknüpft mit den allgemeinen Menschenrechten und betrifft insbesondere multinationale Unternehmen auf Ebene der Vereinten Nationen, der EU und OECD.  Zudem soll CSR dem Grundgedanken von Nachhaltigkeit und nachhaltigem Wirtschaften folgen, wie es in der ISO 26000 formuliert wird. Dabei ist die Einhaltung zweier von sieben Grundklauseln entscheidend zur Gewährleistung von CSR für Unternehmen: „recognizing its social responsibility within its sphere of influence, and identifying and engaging with its stakeholders“. Demnach sollen Unternehmen innerhalb ihres Einflussbereichs und gegenüber ihrer Anspruchsgruppe (Lieferanten, Kunden, Mitarbeitenden) sozial und ökologisch verantwortungsvoll handeln. 

Die ISO 26000 sieht jedoch keine Zertifizierung für Unternehmen vor, sollten diese sich den CSR-Grundklauseln verpflichten. Dies könnte erklären, weshalb sich viele der an der Umfrage der DIHK in Deutschland beteiligten Unternehmen einer Berichtspflicht zu CSR nicht unterwerfen wollten. Solche Berichtspflichten würden für rund drei Viertel der Unternehmen einen spürbar hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand bedeuten. Mehr als jedes fünfte Unternehmen würde bei einer Berichtspflicht sein Engagement sogar zurückfahren, heißt es in der DIHK-Studie von 2006 weiter. 

Die Flaggen der europäischen Mitgliedsstaaten wehen vor einem Bürogebäude.

CSR in der deutschen Unternehmenspraxis – Fazit und Ausblick  

Corporate Social Responsibility hat mehrere Dimensionen und geht weit über gesetzliche Vorgaben hinaus. Neben der sozialen Verantwortung von Unternehmen gegenüber Zuliefernden (B2B), Mitarbeitenden und Kunden (B2C) tragen Unternehmen auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, deren Teil sie sind. In diesem Zusammenhang geben Baumgartner und Gelbmann in ihrem Artikel zur strategischen Implementierung von CSR in KMU zu bedenken: „Viele Unternehmen erhalten massiv negatives öffentliches Feedback, wenn sie sich nicht ethisch korrekt verhalten, wie diverse Skandale beweisen“.   

Nachhaltigkeit wird eines der großen Themen der nächsten Jahrzehnte werden, welches die Wirtschaft radikal verändert. Es geht aber darum, sinnvolle Optimierungsmaßnahmen zu identifizieren und zu definieren, um das eigene Unternehmen auf Veränderungen vorzubereiten und dauerhaft wettbewerbsfähig zu halten. Dabei können aus den entwickelten Optimierungsmaßnahmen auch Wettbewerbsvorteile entstehen. Unternehmen sollten Nachhaltigkeit nicht per se als Bedrohung verstehen, sondern als Chance für einen notwendigen Optimierungsprozess, die viele positive Aspekte mit sich bringt.