Digitale Technologien dringen in immer mehr Bereiche des privaten, öffentlichen sowie wirtschaftlichen Lebens ein. Um im Wettbewerb zu bestehen, reicht es für Unternehmen daher längst nicht mehr aus, nur den Anschluss an die digitale Entwicklung zu halten. Es bedarf vielmehr einer Unternehmenskultur, in der die Digitalisierung stets mitgedacht und in Projekte integriert wird. Sowohl die Unternehmensführung als auch die Mitarbeitenden benötigen dafür nicht nur digitales Know-how, sondern auch digitale Souveränität.

Eine feste Definition des Begriffes digitale Souveränität gibt es zwar nicht, jedoch werden damit meist zwei Aspekte verbunden:

  1. die selbstbestimmte Nutzung digitaler Technologien, etwa durch die Unabhängigkeit von Herstellern und der Wahrung der Rechte an eigenen Daten
  2. der kompetente und sichere Umgang mit digitalen Technologien; ein in der Praxis geschärftes und beständig erweitertes digitales Know-how

Die beiden Aspekte lassen sich sowohl auf Individuen als auch auf Unternehmen oder auch Staaten sowie supranationale Institutionen wie die Europäische Union beziehen.

Digitale Selbstbestimmung

Der Mittelstand in Baden-Württemberg lebt von seiner Innovationsstärke. Um das das geistige Eigentum zu schützen und sich so viel Unabhängigkeit wie möglich zu bewahren, neigen viele Unternehmen dazu, sich auch bei der IT möglichst abzuschotten. Die Folge sind teure Insellösungen, die einen Austausch von technologischem Wissen mitunter auch dort erschweren oder sogar verhindern, wo er Wettbewerbsvorteile brächte. Wer dagegen auf Plattformen und Cloud-Computing setzt, findet meist nicht nur günstige Angebote, sondern erspart sich auch den Aufbau von Entwicklungs- und Wartungsexpertise − und erhält in der Regel zugleich Lösungen, die auf dem aktuellen Stand der Entwicklung sind. Der Nachteil derartiger Angebote besteht jedoch häufig in der Abhängigkeit von Software- oder Plattform-Anbietern, dem sogenannten (Vendor-)Lock-In-Effekt: Der Wechsel zu einem anderen Anbieter verursacht neben technischen Hürden dann mitunter so hohe Kosten, dass er sich einfach nicht rechnet.

Zur digitalen Selbstbestimmung gehört daher immer auch eine technologische Souveränität. Neben dem Aufbau eigener digitaler Expertise sind Unternehmen dabei auch auf eine gut funktionierende digitale Infrastruktur angewiesen. Baden-Württemberg geht mit seiner Digitalisierungsstrategie digital@bw hier als eine digitale Leitregion Europas voran und investiert in rund 80 Projekte 323 Millionen Euro allein bis 2021. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Aufbau von Strukturen zu, die den Handel mit Daten ermöglichen.

Wichtige Impulse dürften von der europäischen Datencloud GAIA-X, der Initiative International Data Spaces oder dem Netzwerk Trusted-Cloud zu erwarten sein. Sie alle erlauben den Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg und versprechen zugleich die Souveränität der teilnehmenden Unternehmen besser als bislang zu gewährleisten. An der automatisierten Wahrung der Datensicherheit, der Eigentumsrechte an Daten sowie der Einhaltung der Datenschutzverordnung (DSGVO) wird derzeit noch geforscht. Von diesen Entwicklungen werden nicht zuletzt gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren, da sie damit in die Lage versetzt werden, mit ihren eigenen Daten zu handeln und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln

Digitale Bildung

Die Unternehmen können jedoch auch viel selbst dafür tun, digitale Souveränität zu gewinnen, indem sie die Mitarbeitenden ins Zentrum ihrer Digitalisierungsstrategien stellen. Werden deren digitalen Kompetenzen und Erfahrungen gezielt gefördert, lassen sich im Unternehmen digitale Techniken so einsetzen, dass sich daraus wichtige wirtschaftliche Alleinstellungsmerkmale (USP) ergeben. Ein gutes Beispiel dafür bietet der Werkzeugmaschinenbau.

Die Branche erzeugt gerade in Baden-Württemberg vielfältige Produkte für den Weltmarkt. Kennzeichnend für den Werkzeugmaschinenbau ist die große Variationsbreite der Verfahren sowie Einzel- als auch Kleinserienfertigung. Mit dem Einzug der Automatisierung und Industrieroboter wurden die Kompetenzen der Beschäftigten im Land nicht nur erhalten, sondern kontinuierlich ausgebaut. Die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) und des Maschinellen Lernens (ML) werden nun weitere Automatisierungsschritte erlauben. Auch dabei werden abermals die Mitarbeitenden eine zentrale Rolle spielen.

Denn sie sind es, die über die Handlungsvorschläge der KI entscheiden müssen. Errechnet ein KI-basiertes Programm auf der Basis vorangegangener Anwendungsfälle beispielsweise Schnittmuster für einen individuellen Auftrag, liegt es an den Beschäftigten zu prüfen, ob dieses Muster auch tatsächlich den jeweiligen Anforderungen entspricht. Angestellte mit entsprechenden digitalen Kompetenzen verschaffen Unternehmen auf diese Weise einen unmittelbaren Wettbewerbsvorteil, da sie Kundenwünsche besser erfüllen können.

Für Unternehmen kommt es daher in Zukunft vor allem darauf, die Technikgestaltung, das Engineering, künftig enger mit der Techniknutzung auf dem Shopfloor zu verzahnen. Die Digitalisierung souverän zu gestalten, bedeutet daher, die Fachkräfte auch in der Zukunft in die Lage zu versetzen, die Grenzen der (digitalen) Technologien zu erkennen, um die Kreativität und Handlungsfreiheit des Unternehmens zu bewahren.