Unter robotergestützter Prozessautomatisierung (engl. robotic process automation, RPA) werden Lösungen zusammengefasst, die typische Back- und Front-Office-Tätigkeiten von Menschen wie etwa die Eingabe, das Übertragen oder Prüfen von Daten übernehmen. Voraussetzung für die Automatisierung solcher Tätigkeiten ist, dass sie auf klaren Regeln basieren sowie wiederkehrend sind und digital durchgeführt werden. Entgegen den Assoziationen, die mit Begriffen wie „Roboter“ und „Automation“ verbunden sind, kommen bei der RPA keine schweren Maschinen zum Einsatz, sondern Softwareprogramme− sogenannte Softwareroboter, abgekürzt „Bots“.  

Da sich diese Softwareroboter in die bestehende IT-Landschaft integrieren lassen, sind sie eine günstige Möglichkeit, Automatisierungs- und damit Effizienzpotenziale gerade in kleinen und mittleren Unternehmen zu heben. Ein Umbau der IT-Landschaft ist für den Einsatz von RPA nicht notwendig. Der Return on Investment (ROI) liegt einer Studie des Beratungshauses Deloitte zufolge durchschnittlich bei weniger als zwölf Monaten.  

Wie funktioniert RPA? 

Die auf dem Server (oder der Cloud) gehosteten Softwareroboter imitieren Arbeitsschritte von Menschen. Dafür werden diese Arbeitsschritte in strukturierte Daten übersetzt, sodass sie von den RPA-Bots automatisiert ausgeführt werden können. Die RPA-Bots nutzen dabei die gleichen Programme, wie sie den Menschen zur Verfügung stehen und bedienen die gleichen Steuerelemente der Grafischen Benutzeroberfläche (engl. graphical user interface, GUI) dieser Programme. Sie werden daher auch oft als digitale Arbeiter („digital worker“) bezeichnet.  

Da RPA-Bots quasi stellvertretend für Menschen an den Programmen agieren, lassen sie sich auch systemübergreifend mit der schon im Unternehmen bestehenden Software einsetzen, sei es bei Office-Anwendungen oder bei ERP-, HR- und CRM-Systemen. Fortschrittliche Softwareroboter können dank intelligenter Algorithmen zudem auch komplexere Entscheidungen treffen. Sie eignen sich dann sogar für Herausforderungen wie die Bearbeitung von Kundenbeschwerden oder die Gestaltung einer individuell auf die Bedürfnisse einzelner Kundinnen und Kunden zugeschnittenen Customer Experience. Die Kombination von RPA mit modernen Digitalisierungs-Technologien wie Machine Learning (ML), Big Data, Predictive Analytics oder Natural Language Processing (NLP) wird häufig nicht mehr als RPA, sondern RPA 2.0 oder Smart Process Automation (SPA) genannt. 

Siegeszug der RPA  

Robotergesteuerte Prozessautomatisierung wird bereits seit Anfang der 2000er-Jahre eingesetzt. Typische Beispiele früher Nutzungen sind der automatische Versand von E-Mails, Newslettern und Social-Media-Posts oder Sprachdialogsysteme (engl. interactive voice respones, IVR), die standardisierte Frage verstehen und standardisiert antworten können. Ihren ersten großen Aufschwung erlebt die Technologie im Zuge der Finanzkrise 2008. Banken, Versicherungen und Finanzinstitute waren gezwungen, Kosten zu sparen, hatten zugleich aber auch mehr Vorschriften und Regularien zu beachten. Mithilfe der investitionsarmen RPA-Technologien konnten die Kosten trotz des gewachsenen Bürokratieaufwands gesenkt werden. 

Zuletzt hat auch die COVID19-Pandemie noch einmal für einen Schub der Nutzung von RPA gesorgt. Dem IT-Analystenhaus Gartner zufolge wuchs trotz Wirtschaftskrise der weltweite Markt für RPA 2021 gegenüber 2020 um rund 20 Prozent. Bis 2022 werden demnach 90 Prozent aller großen Unternehmen RPA nutzen und bis 2024 werden diese Unternehmen ihre Bot-Kapazitäten sogar verdreifachen, prophezeit Gartner. Ähnliche Ergebnisse liefert für die DACH-Region auch eine Studie des Dienstleisters IDG, der zufolge bereits 76 Prozent der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz RPA im Geschäftsalltag bereits einsetzen. Während nur vier Prozent der mittleren Unternehmen und fünf Prozent der Großunternehmen auf RPA vorläufig verzichten wollen, sind es bei kleineren Unternehmen immer noch 17 Prozent. Eine Studie des Beratungshauses PwC zufolge, hat sich die Mehrheit der Unternehmen, die RPA noch nicht einsetzen, schlicht noch nicht mit der Technologie befasst. Die stärkere Zurückhaltung kleinerer Unternehmen dürfte daher auch auf mangelnde Kapazitäten zurückzuführen sein.

Beispiele für den Einsatz von RPA im Mittelstand 

Der PwC-Studie zufolge werden RPA-Bots in der DACH-Region am häufigsten fürs Controlling (63 Prozent), das Berichtswesen (61 Prozent), die Qualitätssicherung (41 Prozent) und die Validierung von Daten (41 Prozent) eingesetzt. Grundsätzlich eignen sie sich für alle Bereiche, in denen strukturierte Prozesse mit klaren Handlungsanweisungen und wiederkehrenden Aufgaben auszuführen sind. RPA-Bots können zum Beispiel im Einkauf Portale von Lieferanten überprüfen (sogenanntes „Web Scraping“), Preise analysieren und automatisiert bestellen, sodass möglichst immer zu den bestmöglichen Konditionen eingekauft wird.  

In der Buchhaltung lassen sie sich einsetzen, um Rechnungen zu erstellen, Stammdaten zu ändern oder Formulare auszufüllen. Häufig erledigen RPA auch Aufgaben wie die automatische Prüfung von Lagerbeständen, die automatisierte Planung von Sendungen und Versandnachrichten, inklusive automatisierte Statusmeldungen über den Sendungsverlauf. 

Auch im Kundendienst finden sich Software-Roboter, etwa um Anfragen zu bearbeiten. Die Bots sind in der Lage, Anhänge von E-Mails zu öffnen, Dokumente zu analysieren und können auf Basis der Analyse weitere Schritte initialisieren. Im einfachsten Fall beantworten sie etwa eine standardisierbare Anfrage mit einer standardisierten Antwort. Komplexere Anfragen können aber auch durch „Wenn/Dann“-Befehle an Sachbereiterinnen bzw. -bearbeiter weitergegeben werden. 

Vorteile der Prozessautomatisierung 

RPA bietet Unternehmen aller Größen und nahezu aller Branchen deutliche Vorteile, zumal sie in so gut wie allen Abteilungen einsetzbar sind und dort klare Effizienzgewinne erzielen. Wie hoch der Nutzen von RPA ist, hängt zwar stets von der jeweiligen Anwendung, dem Unternehmen und dem Umfeld ab, doch geben Durchschnittswerte klare Hinweise darauf, wie groß die Potenziale von RPA sind: Die schon genannte Deloitte-Studie hat errechnet, dass sich mit softwarebasierter Prozessautomatisierung durchschnittlich 59 Prozent der Kosten einsparen lassen. Die Produktivität wird im Schnitt um 86 Prozent, die der Qualität um 90 Prozent verbessert.  

Die wichtigsten Vorteile von RPA sind: 

  • Hohe Wirtschaftlichkeit: Die Investitionen amortisieren sich in der Regel binnen eines Jahres.  

  • Hohe Benutzerfreundlichkeit: Die digitalen Arbeiter der RPA fügen sich nahezu geräuschlos in die Arbeitsabläufe ein, arbeiten entweder unauffällig im Hintergrund oder unterstützen Mitarbeitende, indem sie ihnen lästige Arbeiten abnehmen. 

  • Zeiteinsparung/Steigerung der Arbeitszufriedenheit: RPA automatisieren wiederkehrende Arbeitsschritte und erledigen diese zuverlässig in kürzester Zeit. Sie entlasten dadurch Mitarbeitende von monotonen, uninteressanten Aufgaben und tragen so zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit bei. 

  • Skalierbarkeit/Reduzierung von Fehlerraten/Optimierung der Prozessqualität: Die Softwarebots sind rund um die Uhr einsetzbar, arbeiten ermüdungs- und fehlerfrei und können sicherstellen, dass Unternehmen auch bei erhöhter Nachfrage rasch reagieren. 

  • Schnelle Verfügbarkeit: Es ist keine Änderung der IT-Landschaft notwendig. Da RPA die Grafische Benutzeroberfläche nutzen, ist keine aufwendige Programmierung notwendig. Häufig dauert es nur wenige Wochen von der Planung bis zur Inbetriebnahme. 

  • Resilienz: Prozessautomatisierung erhöht die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen, da durch sie zum einen Kosten gesenkt werden, zum anderen steigt die Agilität des Unternehmens. 

  • Nachhaltigkeit: Mithilfe von RPA-Bots lassen sich Fehlerquoten deutlich senken, sodass ressourcenschonender gearbeitet wird. 

  

Für kleine und mittlere Unternehmen lohnt sich die Investition in RPA neben der positiven Kosten-Nutzen-Bilanz vor allem durch die einfache und schnelle Anwendbarkeit der Technologie. Nicht zuletzt erweist sich RPA häufig auch als Treiber der Digitalisierung im Unternehmen. Viele Unternehmen bauen mit RPA erste Erfahrungen in der Nutzung eigener Daten zur Produktivitätssteigerung auf. Diese Erfahrungen können als Grundlage für weitere Digitalisierungsmaßnahmen dienen, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessert wird. 

Nachteile von RPA 

Aus Sicht der Belegschaft ist Prozessautomatisierung häufig erst einmal eine Bedrohung ihres Arbeitsplatzes. Schließlich geben sie Tätigkeiten, die sie bislang ausführten, an digitale Arbeiter ab. Das damit verbundene Rationalisierungspotenzial kann zum Abbau von Arbeitsplätzen genutzt werden. Laut PwC-Studie nutzen allerdings nur 18 Prozent der Unternehmen RPA, um Stellen abzubauen, 72 Prozent verzichten nicht auf Angestellte, wenn sie Bots einsetzen.  

Angesichts des Fachkräftemangels dient RPA weit häufiger dazu, Fachkräfte effektiver einsetzen zu können und sie von weniger attraktiven Tätigkeiten zu entlasten. Die Einführung von Prozessautomatisierungen ist daher immer durch einen Change-Prozess zu begleiten, der die Sorgen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden begleitet und zu einer Akzeptanz von RPA im Unternehmen führt. 

Ein weiterer Nachteil von RPA-Software ist, dass sie auf die Benutzeroberfläche angewiesen ist. Ändert sich etwas am Programm, muss auch der RPA-Bot neu justiert werden. Das führt in der Praxis mitunter dazu, dass mit einer an sich schon veralteten Software länger festgehalten wird. Analog dazu wird womöglich auch an Prozessen länger festgehalten, anstatt neue, effektivere Wege zu beschreiten. Nicht zuletzt stellt Prozessautomatisierung auch erhöhte Anforderungen an die IT-Sicherheit. Da die Bots in aller Regel Zugriff auf mehrere Systeme haben, sind sie lohnende Angriffsziele für Cyberkriminelle und bedürfen daher besonderer Schutzmaßnahmen.  

Wie läuft die Einführung von RPA ab? 

Der erste Schritt bei der Einführung von RPA sollte eine Bestandsaufnahme der Prozesse im Unternehmen sein. Diese Prozesse gilt es dann anhand technischer, wirtschaftlicher und organisatorischer Kriterien zu bewerten. RPA-Bots eignen sich zum Beispiel für Prozesse, die nur geringe menschliche Inventionen erfordern, eher monoton sind und viel Zeit für an sich nicht produktive Tätigkeiten binden. Aus wirtschaftlicher Sicht sollte es sich um Vorgänge handeln, die häufig ausgeführt werden müssen und anfällig für menschliche Fehler sind. Zu den technischen Voraussetzungen zählt, dass der Prozess durch strukturierte Daten digital abbildbar ist, es sich um regelbasierte Abläufe handelt und die Komplexität eher niedrig ist. Zur Bewertung dieser Kriterien sollten möglichst immer auch Mitarbeitende, Anwendende und Prozessteilnehmende mit einbezogen werden. 

Gerade Unternehmen, die erstmalig RPA anwenden, sollten sich die Technologie zuerst bei unkritischen Prozessen testen und erste Erfahrungen sammeln. Ist die Prozessautomatisierung schließlich implementiert, gilt es, zu überprüfen, ob die RPA auch die Ziele erreicht, die gesteckt wurden. Da sich die Software-Roboter nicht selbst evaluieren, ist dieser Schritt regelmäßig zu wiederholen, damit die Prozessautomatisierung im Bedarfsfall immer wieder angepasst werden kann.