Zukunftsweisende Technologien für den Mittelstand

Die Idee der Smart City erweitert und verändert als neue Dimension auch die Standortbedingungen von Unternehmen. So sieht beispielsweise das Stuttgarter Smart City Konzept vor, bis 2030 bei allen städtischen Bauvorhaben die Methode Building Information Modeling (BIM) anzuwenden, damit Planung, Bau und Betrieb der Gebäude digital gesteuert werden können. Entsprechend müssen sich Bauunternehmen und Handwerker mit der BIM-Methode vertraut machen, um auch künftig städtische Aufträge wahrnehmen zu können. Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung urbaner Datenräume. So plant etwa Freiburg i. Br. auf einer offenen Plattform kommunale Daten zusammenzuführen. Durch deren Verwertung lassen sich neue Angebote entwickeln und Kooperationen zwischen Unternehmen fördern.

© Stadt Stuttgart

Um an und von solchen Veränderungen zu profitieren, müssen sich die Unternehmen vor Ort auf die neuen Bedingungen anpassen. Das gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), da sie meist stark mit den Strukturen vor Ort verwachsen sind. Wie stark dieser Anpassungsdruck ist, hängt sowohl vom Entwicklungsstand der einzelnen Kommunen ab als auch vom jeweils verfolgten Smart-City-Konzept. So ergeben sich beispielsweise für Universitätsstädte andere Prioritäten bei der Umsetzung als etwa für industriell geprägte Orte. Trotz aller Unterschiede gibt es aber auch wesentliche Schnittpunkte zwischen den Smart-City-Konzepten, an denen sich auch Unternehmen stets orientieren können.

Smart-City-Konzepte für gemeinwohlorientierte Nutzung digitaler Technologien 

Grundlegend für die Smart City ist demnach die Idee, kommunale Bereiche wie Verwaltung, Mobilität, Energie, Sicherheit oder Wirtschaft und Handel durch digitale Technologien so miteinander zu vernetzen, dass sich dadurch die Bedingungen vor Ort verbessern. Angesichts der Globalisierung und den Herausforderungen des Klimawandels, des demografischen Wandels, der Migration, sozialer Ungleichheiten und der Ressourcenknappheit lassen sich diese Verbesserungen aber nicht isoliert auf Zielgruppen vor Ort beschränken. Daher greift der Begriff der Smart City in aller Regel auch überregionale Interessen und Anliegen einer nachhaltigen Stadtentwicklung auf. 

Leitbilder dafür finden sich etwa in der „Leipzig-Charta“ zur nachhaltigen europäischen Stadt oder auch in den UN-Zielen der „Agenda 2030“. In diesem Verständnis ist Smart City ein Konzept, mit dem die Chancen digitaler Technologien strategisch so genutzt werden, dass bereits auf kommunaler Ebene verantwortlich im Sinne einer nachhaltig agierenden Weltgemeinschaft gehandelt wird. Der Begriff Smart City hat damit sowohl eine technische als auch normative Ausrichtung: Die digitale Transformation wird durch eine Smart-City-Strategie in eine gemeinwohlorientierte Richtung gelenkt. Das stellt an die Handelnden in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft vielfältige Anforderungen. 

Leitlinien für die Transformation von Städten zu Smart Cities

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat mit Vertretenden aus Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Praxis eine Smart City Charta erarbeitet, die vier Leitlinien für den Wandel der Städte hin zu Smart Cities vorgibt. Demnach sollte die digitale Transformation der Städte vier zentralen Prinzipien folgen: 

  1. Ziele und Strategien der Digitalisierung entwickeln und Strukturen anpassen: Die Digitalisierung der Kommunen soll kein Selbstzweck sein, sondern etwa die lokale Wertschöpfung, eine Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Lebensstile fördern. Dafür gilt es, strategische Handlungsfelder zu identifizieren und Ziele zu definieren. Zur Umsetzung des Digitalisierungsprozesses wird Kommunen empfohlen, „kooperative Strukturen mit klaren Rollen, Ressourcen und Kompetenzen zu schaffen“ (Smart City Charta, S. 11).   

  2. Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung der Digitalisierung sichern und fördern: Digitale Kommunikationstechnologien wie Foren oder Web-2.0-Anwendungen eignen sich gut dazu, alle Vorhaben und Maßnahmen der Digitalisierungsstrategie transparent zu machen und die Stakeholder sowie die Zivilgesellschaft aktiv in Planungen und Prozesse einzubinden. Die so geschaffenen Strukturen können auch auf andere kommunale Vorhaben übertragen werden und so die Demokratie stärken. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten allen Menschen zur Verfügung steht. Gebraucht werden daher auch Konzepte der Inklusion etwa für Menschen mit Behinderung, Menschen ohne Erfahrung mit digitalen Medien sowie Menschen mit ungenügenden Sprachkenntnissen.  

  3. Sichere Infrastrukturen schaffen, Daten verantwortungsvoll erheben und die Datenhoheit erhalten sowie kommunale Dienstleistungen schaffen: Eine hochleistungsfähige Breitbandversorgung ist die Voraussetzung für eine Smart City. Daher sollten Städte Verantwortliche für den Betrieb, Unterhalt und Neuinvestitionen der digitalen Infrastruktur definieren. Zentral für die intelligente Vernetzung in Smart Cities ist der Zugriff auf Daten. Kommunen benötigen daher eine Strategie, wie sie Daten verantwortungsvoll erheben, Dritten zur Verfügung stellen und dabei die Datenhoheit erhalten können. Zudem müssen sie sicherstellen, dass die digitale Infrastruktur wie etwa das digitale Rathaus, die Trinkwasserversorgung oder Verkehrsleitzentrale sicher vor Cyber-Angriffen ist und eine Notfallversorgung durch ein „Security by Design“ gewährleistet wird.  

  4. Ressourcen bereitstellen, digitale Kompetenzen stärken und Kooperationen fördern: Der digitale Strukturwandel erfordert personelle und finanzielle Ressourcen, die von den Kommunen, den Ländern und dem Bund bereitgestellt werden müssen. Die digitale Transformation kann zudem nur gelingen, wenn Mitarbeitende in der Planung, Umsetzung und im Gebrauch digitaler Technologien kompetent sind (Stichwort: Data Literacy). Daher sollten Bildungskooperationen zwischen öffentlicher Hand, Forschung und regionaler Wirtschaft gefördert, initiiert und vorangetrieben werden. Um Standortvorteile zu erhalten und auszubauen, sollten Kommunen zudem lokale Kooperationen zwischen Unternehmen fördern und dazu anregen, beispielsweise lokale Sharing-Angebote zu schaffen oder kooperative Geschäftsmodelle umzusetzen. 

Smart-City-Index 2021: Drei Städte aus Baden-Württemberg landen in den Top 10 – Karlsruhe (Platz 3), Stuttgart (Platz 8), Freiburg im Breisgau (Platz 10) © Bitkom

In der Smart City sind smarte Unternehmen im Vorteil 

Um den Anschluss an die Smart City zu halten, müssen auch die Unternehmen im Ort smart werden. Sie müssen ihr Unternehmen digital transformieren, Geschäftsmodelle überdenken, gegebenenfalls Prozesse, Anlagen und Ausrüstung anpassen und Mitarbeitende befähigen, mit veränderten Aufgaben und Abläufen umzugehen. Zudem sollten sich Unternehmen möglichst früh an der Planung von Smart-City-Strategien beteiligen und ihre Bedürfnisse und Angebote einbringen. Viele Städte setzen im Zuge ihrer Smart-City-Entwicklung beispielsweise auf nachhaltige Verkehrs- und Mobilitätskonzepte. Das bietet etwa Handwerk und Einzelhandel die Chance, smarte Logistikangebote umzusetzen, die den lokalen Handel stärken und zugleich Emissionen und das Verkehrsaufkommen mindern. 

Beispiel: Setzen Handwerk und Einzelhandel auf Ommnichannel-Geschäftsmodelle können sie Waren und Services zusätzlich zum Angebot in Geschäften auch über lokale Online-Marktplätze anbieten und Konsumentinnen und Konsumenten so attraktivere Möglichkeiten zur Nutzung lokaler Angebote bieten. Ein kaputter Schuh kann dann etwa in einem nahegelegenen Zeitungsladen abgegeben werden. Ein Bote bringt den Schuh zum Schuster, der ihn repariert, und anschließend zurück zum Zeitungsladen oder direkt zur Kundin bzw. dem Kunden. Die Koordination des Service-Angebots erfolgt übersichtlich, einfach und bequem über eine Plattform oder App. 

Eine weitere typische Herausforderung für KMU sind smarte Quartiere. Viele Kommunen errichten derzeit erste Smart City Quartiere, in denen sie Smart-City-Konzepte quasi im Kleinformat ausprobieren. Die Bewohner und Bewohnerinnen dieser smarten Quartiere stellen an lokale Unternehmen und Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe neue Anforderungen. So bieten Smart Homes in der Regel die Möglichkeit digitaler Schlüssel. Damit können Handwerkerinnen und Handwerker mit einem zeitlich befristeten Code in die Wohnung gelassen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Handwerksbetriebe auch in der Lage sind, solchen digitale Schlüsseln entgegenzunehmen und verantwortlich (Stichwort: Datenschutz) damit umzugehen.  

Unternehmen profitieren von Smart Cities in vielfältiger Weise

Der Umbau von Städten zu Smart Cities birgt für lokale Unternehmen aber auch vielfältige Chancen. So benötigen die digitalen Projekte und Lösungen der Städte Umsetzungen aus der Wirtschaft. Die öffentliche Hand kann hier also wichtige Partnerin und Kundin für KMU sein, die entsprechende Lösungen anbieten. Zudem eröffnet sich für KMU durch Smart City Konzepte die Chance, mit digitalen Geschäftsmodellen und digitalen Kooperation die Sichtbarkeit am Markt zu erhöhen.

Auch für KMU, die keine Smart-City-relevanten Produkte und Dienstleistungen anbieten, ergeben sich mittelbar Vorteile. Sie profitieren von einem attraktiven, innovativen Umfeld mit digitalen Unternehmen, Angeboten und Infrastrukturen. Beispielweise bietet ein „digitalisiertes Rathaus“ schnellere Antragsbearbeitungen, sodass Verfahren zügiger genehmigt werden können. Durch die Einrichtung von Digital- bzw. Innovationshubs können Unternehmen Zugang zu smarten Produktionstechnologien erhalten, etwa zu Lasercuttern oder 3D-Printern, deren Anschaffung sich für Einzelunternehmen womöglich nicht lohnt. Häufig stoßen die Kommunen im Zuge der digitalen Transformation auch Kooperationen zwischen KMU und Start-ups sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte an, an denen sich KMU beteiligen können. Nicht zuletzt profitiert die lokale Wirtschaft von der Attraktivitätssteigerung der Kommune als Arbeits- und Unternehmensstandort: Fachkräften und Talente können so leichter in der Region gehalten und das Wirtschaftswachstum besser gefördert werden. 

Fazit

Viele Kommunen in Baden-Württemberg sind im bundesweiten Vergleich mit ihren Smart-City-Konzepten bereits heute führend. Im Smart City Index 2021 des digitalen Branchenverbands Bitkom rangieren mit Karlsruhe (Platz 3), Stuttgart (Platz 8) und Freiburg (Platz 10) gleich drei Kommunen aus Baden-Württemberg im Top-10-Ranking deutscher Großstädte. Bei der Digitalisierung der Verwaltung sind es sogar vier Städte: Stuttgart (Platz 1), Mannheim (Platz 2), Heidelberg (Platz 4), Freiburg (Platz 9). Das breite Förderangebot in Baden-Württemberg wird diese Entwicklung weiter vorantreiben. So bietet etwa die Digitalakademie@bw Kommunen, Landkreisen und Regionen in Baden-Württemberg zahlreiche Angebote mit Schwerpunkten in den Bereichen Digital Leadership, Kommunale Digitallotsen, KommHUB (Komm.One) und Kommunales InnovationsCenter (KIC@bw). 

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) tun daher gut daran, sich früh mit den lokalen Smart-City-Konzepten vertraut zu machen, sich auf die damit verbundenen Veränderungen einzustellen und aktiv am Umbau ihrer Stadt zur Smart City mitzuwirken.