Effizienter, sicherer, schneller: Virtuelle Testfahrten mit KI prüfen autonome Fahrfunktionen für die Automobilbranche
Aktuelle Situation: Fürs autonome Fahren gibt es keine einheitlichen Testverfahren
Autonomes Fahren ist einer der Megatrends in der Automotivebranche. An der Mobilität von morgen arbeiten die großen Fahrzeughersteller ebenso intensiv wie zahlreiche klein- und mittelständische System- und Komponentenzulieferer. Bevor sie Neuentwicklungen auf die Straße bringen dürfen, müssen diese jedoch sicher und zertifizierbar sein. Das ist eine große Herausforderung, denn bislang gibt es noch keine definierten Testbedingungen, um autonome Fahrfunktionen zu prüfen und abzunehmen. Das liegt an der enormen Komplexität. Es müssen sehr viele Faktoren wie Wetterverhältnisse, Fahrbahnbedingungen und Sensorsysteme berücksichtigt und miteinander kombiniert werden. Bislang werden Systemprüfungen hauptsächlich über Testfahrten realisiert. Doch um alle denkbaren Szenarien beim autonomen Fahren abzudecken, müssten Millionen an Kilometern gefahren werden. Das ist enorm teuer und aufwändig – und stellt vor allem die mittelständischen Zulieferunternehmen vor große Herausforderungen.
Innovation: Wie hilft KI dabei, das Problem zu lösen?
Eine verschmutzte Kameralinse, plötzliches Glatteis, ein auf die Fahrbahn rennendes Kind: Selbstlenkende Autos müssen in jeder noch so heiklen Situation richtig reagieren. Das kann nur gelingen, wenn sie unterschiedlichste Ereignisse, Umgebungen und Objekte beurteilen können. Im nächsten Schritt müssen sie sicher entscheiden, ob die damit verbundene Gefahr beherrschbar ist. Ob Neuentwicklungen, etwa eine bestimmte Sensorfunktion, das leisten, kann durch den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) schneller und kostengünstiger überprüft werden. Das ist das Ziel des Projekts „AI2ISO“: ein industrietaugliches Verfahren, mit dessen Hilfe KI-basierte Funktionen von (teil-)autonomen Fahrzeugen systematisch getestet und ausgewertet werden können. Dafür werden Testfahrten in die virtuelle Welt verlegt und Einflussfaktoren simuliert.
Vorgehensweise: Virtuelle Testfahrten und Auswertung durch KI
Ein auf KI-Methoden basierendes System benötigt für die Auswertung stets eine große Datenbasis. Dafür werden bei realen Fahrten Straßen gefilmt und vermessen. Außerdem wird bereits bestehendes Kartenmaterial verwendet. Diese Informationen werden ergänzt um Werte, die man von der autonomen Fahrfunktion in bestimmten Situationen erwartet. Nachdem diese Grundlage geschaffen ist, werden einzelne Einflussfaktoren verändert: ein schwarzer Punkt simulierte eine Verschmutzung auf der Kamera, oder das Bild wird heller oder dunkler gemacht, um verschiedene Lichtverhältnisse darzustellen. So entstehen viele verschiedene Szenarien, aus denen das KI-System potentiell gefährliche Situationen ableitet. Anhand dieser Bewertung können Entwickler autonomer Fahrfunktionen die kritischen Kombinationen genauer betrachten und prüfen, welche Faktoren risikobehaftet sind und wie das System verbessert werden kann.
Ausblick: Virtuelle Tests bei vielfältigen Faktoren
Extreme Umwelteinflüsse verlangen Fahrzeugen ebenfalls viel ab, sodass sie beispielsweise für den Einsatz in der glühend heißen Wüste oder am kalten Polarkreis getestet werden müssen. Da auch in diesem Fall Messungen unter echten Bedingungen sehr aufwändig und teuer sind, könnte hier das von „AI2ISO“ entwickelte Verfahren mit KI-basierter Auswertung ebenfalls zum Einsatz kommen. Zudem wäre das virtuelle Testverfahren mit KI-Methoden auch für weitere selbstfahrende Systeme wie beispielsweise Roboter oder Drohnen denkbar.
Mehrwert: Vereinfachte Testverfahren und gezielte Verbesserungsmöglichkeiten
Das virtuelle Verfahren mit KI-basierter Auswertung vereinfacht die Sicherheitstests maßgeblich und ermöglicht aus einer Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten die Szenarien zu identifizieren, die besonders kritisch sind. Die bisher sehr kostspieligen Testfahrten werden reduziert und zugleich können umfangreichere Szenarien abgedeckt werden. Damit ist sowohl Automobilherstellern als auch Systementwicklern und Prüfinstituten geholfen, langfristig einheitliche Testszenarien zu finden und durchzuführen.
Konsortium: Wer sind die Projektbeteiligten?
- Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS): Dr. Thomas Riemer, Bereichsleiter Kraftfahrzeugmechatronik & Mobilität, und sein Team vom FKFS leiten das Projekt AI2ISO. Das FKFS ist eine unabhängige Forschungseinrichtung und Entwicklungspartner der internationalen Automobilindustrie mit hoch spezialisierten Prüfständen sowie selbst entwickelten Mess-, Prüf- und Simulationsverfahren.
- EMM! mobility solutions GmbH, Weil der Stadt: Die Emm! solutions GmbH entwickelt Lösungen für eine neue, nachhaltige Mobilität. Schwerpunkt ist dabei das koordinierte automatisierte Fahren. Im Projekt AI2ISO stellt Emm! solutions das elektrisch angetriebene Fahrzeug und liefert die Datenbereitstellung und Systemintegration von Fahrdynamik, Lenkung und Bremse.
- Spicetech GmbH, Stuttgart: Das Unternehmen mit den Schwerpunkten Digitalisierung, Simulation und Datennutzung bringt sein Know-how im Bereich Künstliche Intelligenz in das Projekt ein. Insbesondere das in einem vorherigen Forschungsprojekt entwickelte Framework zur maschinenbasierten Identifikation kritischer Parameterkombinationen bei virtuellen Fahrszenarien kommt hierbei zum Einsatz.