Schneller entwickeln, wettbewerbsfähig anbieten: Maschinelle Lernverfahren automatisieren ingenieurtechnische Routinearbeit
Aktuelle Situation: Aufwändige Routinearbeit kostet viel Zeit
Wie windschnittig ein zukunftsweisendes Elektroauto ist oder wie laut der Motor eines neuen Rasenmähers brummt, simulieren Ingenieure am Bildschirm – lange bevor die Fertigung anläuft. Die Simulationstechnologie ist mittlerweile ein unverzichtbares Werkzeug, unabhängig davon, welches Produkt entwickelt wird. Ein spezieller Arbeitsschritt macht allerdings jeden Simulationsprozess zeitaufwändig: die sogenannte Gittergenerierung. Darunter versteht man die Zerlegung von Bauteilmodellen in kleine Einheiten wie beispielsweise Rechtecke oder Würfel. Diese Zerlegung muss so exakt wie möglich der Geometrie eines Produkts entsprechen und gleichzeitig eine hohe Simulationsgenauigkeit sicherstellen. Ein Gitternetz herzustellen ist eine Routinetätigkeit, die allerdings viel Zeit erfordert. Allein das Batteriegehäuse für ein E-Auto nachzubilden kann Tage dauern, ein ganzes Fahrzeug sogar Wochen. Aus Kostengründen werden diese Arbeiten häufig nach Asien und Osteuropa ausgelagert, und schleichend folgen weitere ingenieurtechnische Dienstleistungen. Damit gehen in Baden-Württemberg nicht nur Arbeitsplätze verloren, sondern auch wichtiges ingenieurtechnisches Know-how.
Innovation: Wie hilft KI dabei, das Problem zu lösen?
Durch die Automatisierung der Gitternetzgenerierung mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) lässt sich der Zeitaufwand in vielen Automobil- und Maschinenbauanwendungen bis auf die Hälfte reduzieren – und zwar auch bei komplexen Bauteilen, insbesondere im Leichtbau und der Elektromobilität. Möglich macht das der technologische Entwicklungssprung zu Deep Learning, einem Teilbereich des maschinellen Lernens. Während Menschen bei der Gitternetzgenerierung intuitiv Komponenten eines Modells erkennen und sinnvoll zerlegen, konnte Software das bei komplexeren Bauteilen bisher nicht. Erst Deep Learning macht es möglich, dass Ingenieure einen Algorithmus entwickeln, dem sie anhand einer dreidimensionalen Konstruktionszeichnung eine Einzelkomponente zeigen und den KI-Algorithmus darauf trainieren können, deren Eigenschaften zu erkennen. Dadurch kann die Software Geometrien dann so aufteilen, dass die Gitternetzgenerierung einfach durchgeführt werden kann.
Vorgehensweise: Interdisziplinäre Zusammenarbeit für stetig steigende Simulationsgenauigkeit
Um einen Software-Prototypen zu entwickeln, der KI-gestützt die Gittergenerierung hochgradig automatisiert, arbeiten Projektpartner aus Forschung und Industrie Hand in Hand. Anwendungsexperten definieren präzise die Anforderungen an das neue System, erstellen die Trainingsdaten, bereiten sie auf und validieren im Rahmen von Nutzerstudien gewonnenen Ergebnisse. Wissenschaftler entwickeln die neuen Algorithmen auf Basis des maschinellen Lernens. Ein Projektpartner integriert alle Komponenten zum Gesamtsystem, insbesondere, indem er die Verfahren des maschinellen Lernens mit geometrischen Ansätzen vereint und geeignete Mechanismen zur Mensch-Maschine-Interaktion konzeptioniert. Anhand großer Datensätzen wird der Algorithmus darauf trainiert, selbstständig Einzelbestandteile zu identifizieren und das Erlernte mit immer neuen Inhalten zu verknüpfen. Trotz des hohen Automatisierungsgrades hat der neue Gittergenerierungsprozess immer noch eine interaktive Komponente, da Ingenieure die Resultate des Algorithmus begutachten und gegebenenfalls korrigieren. Dieses Feedback fließt in das weitere Training ein, um die Genauigkeit kontinuierlich zu steigern.
Ausblick: Welches Potenzial steckt in dem Projekt?
Der weltweite Markt für Simulationssoftware wird auf etwa sechs Milliarden Euro geschätzt, der für entsprechende Ingenieurdienstleistungen auf mindestens 24 Milliarden Euro. Die neue Technologie, die den Aufwand zur Erstellung von Gitternetzen für komplexe Objekte von mehreren Tagen auf bis zu wenigen Stunden reduziert, ist vielfältig einsetzbar. Das reicht von der Simulation komplexer Funktionsbauteile wie Gussknoten oder Batteriekästen in der Automobilindustrie, der simulativen Auslegung von Elektro-Kleingeräten wie Staubsaugern oder Bohrmaschinen bis hin zur Simulation großer Industrieanlagen.
Mehrwert: Schnellere Entwicklungszyklen und bessere Wettbewerbsfähigkeit
Mit dem neuartigen maschinellen Lernverfahren basierend auf Deep Learning werden Hersteller aus unterschiedlichen Branchen moderne Funktionsbauteile wesentlich schneller entwickeln können, da sich der Zeitaufwand für die Simulationen enorm verkürzt. Die Zeitersparnis steigert zudem die Konkurrenzfähigkeit baden-württembergischer Ingenieurdienstleister im Vergleich zu Anbietern aus Niedriglohnländern, sodass sie Routinetätigkeiten auch in Deutschland wieder wettbewerbsfähig anbieten können.
Konsortium: Wer sind die Projektbeteiligten?
Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Antropomatik und Robotik (IAR): Das IAR erforscht humanoide Robotertechnologien und -systeme, die vielseitige Aufgaben in der realen Welt in Interaktion mit dem Menschen ausführen. In diesem Kontext werden u.a. lernfähige technisch-kognitive Systeme und Verfahren zur Wissensmodellierung entwickelt, um menschennahe Assistenzsystem zu realisieren.
Renumics GmbH, Karlsruhe: Das 2017 gegründete Unternehmen ist Technologieführer für die Anwendung von Convolutional Neural Networks (CNN) in Prozessen im Bereich des Engineerings. Renumics konnte die weltweit ersten Industrieprojekte umsetzen, bei denen Zielgrößen aus Prozessen des Computer Aided Engineering (CAE) datenbasiert eingelernt wurden.
Evago GmbH, Leonberg: Der Entwicklungspartner für die Fahrzeugindustrie und deren Lieferantenlandschaft besitzt neben seiner Kernkompetenz in der passiven Fahrzeugsicherheit ein breites Portfolio an Komponenten und Systementwicklungen