Gegen Lebensmittelverschwendung: KI-gestützte Neuzüchtungen machen Obst und Gemüse länger haltbar

 

Aktuelle Situation: Lebensmittel werden in gigantischem Ausmaß verschwendet

1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel landen jedes Jahr auf dem Müll. Das ist ein Drittel aller produzierten Lebensmittel, laut Angabe der Welthungerhilfe. Rund 60 Prozent der Produkte werden weggeworfen, weil sie nicht mehr genießbar sind. Wären Obst, Gemüse und Kräuter länger haltbar, würden weniger pflanzliche Lebensmittel verschwendet. Die Züchtung haltbarer Sorten ist deshalb ein wichtiger Ansatz, um dieses Problem zu lösen.

 


Innovation: Wie hilft KI dabei, das Problem zu lösen?

Haltbarkeit ist schon heute ein wichtiges Kriterium, ob ein verderbliches Lebensmittel überhaupt auf den Markt gebracht wird. Geprüft wird das bisher mit dem sogenannten Lebensmittel-Haltbarkeits-Test (LH-Test), der verschiedene Transport- und Lagermöglichkeiten berücksichtigt, allerdings aufwändig durchzuführen ist. Jetzt kann der Test systematisch erweitert werden, da mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) große Datenmengen einfach ausgewertet werden können – und zwar durch Kameraaufnahmen der gezüchteten Pflanzen. Anhand dieser Bilder ist es möglich, Haltbarkeitsmerkmale auszuwerten und anschließend in Bezug zu den genetischen Merkmalen der Pflanzen zu setzen. Das Wissen über die Kombination dieser Merkmale bietet Züchtern einen enormen Vorteil: Sie erhalten ein fundiertes Auswahlkriterium, um zielgerichtet neue, haltbarere Sorten zu züchten.


Vorgehensweise: Automatisierte Tests und virtuelle Züchtungen mit KI

Um den LH-Test zu automatisieren und den Aufwand dafür erheblich zu senken, braucht es einen großen Datensatz. Dafür fotografieren Hunderte Kameras Hunderte Pflanzen und erfassen im Zeitverlauf verschiedene optische Merkmale wie welkende Blätter oder braune Stellen. Aus diesen Informationen leitet das KI-basierte System optische Muster ab, auf deren Basis es Rückschlüsse auf die Haltbarkeit der Pflanzen ziehen kann.

Diese Informationen verknüpft das KI-System anschließend mit genetischen Daten und kann so auch sehr komplexe Zusammenhänge zwischen der Haltbarkeit und möglichen genetischen Merkmalen herstellen. Sobald diese genetischen Merkmale ermittelt wurden, die für die Haltbarkeit der Pflanze relevant sind, kann eine weitere Software virtuelle Kreuzungen durchführen. Aufwändige, langwierige Versuchszüchtungen in Gewächshäusern werden dadurch weit weniger benötigt – die ideale Kombination für eine länger haltbare Pflanze wird zunächst in der virtuellen Welt gefunden, bevor sie im Gewächshaus bestätigt wird.

 


Ausblick: Der Schlüssel zu weiteren Merkmalen

Das Projekt ist eine gute Basis, um weitere genetische Merkmale von Pflanzensorten zu entschlüsseln. Da sich Bilderkennung und KI-gestützte Züchtungen auf nahezu alle Pflanzen anwenden lassen, wird dieses Verfahren zukünftig auf viele Fragen Antworten liefern. Man denke beispielsweise an den Klimawandel: Steigende Temperaturen und immer trockenere Böden erfordern Neuzüchtungen, die auch bei Hitze und Wasserarmut gedeihen. Die KI-basierte Züchtung neuer, natürlich haltbarer Pflanzensorten würde nicht nur für die Züchter, sondern auch für die Bevölkerung nachhaltig Vorteile bringen.


Mehrwert: Zielgerichtete Züchtungen in kurzer Zeit

Unternehmen sparen durch den automatisierten LH-Test und die dadurch gewonnenen Ergebnisse Zeit und Geld. Lange Testzyklen in realen Gewächshäusern gehören der Vergangenheit an. Stattdessen bringen gezielte Kreuzungen in der virtuellen Welt haltbarere Pflanzen hervor, die ihren Produzenten einen echten Wettbewerbsvorteil und der Umwelt einen Gewinn bringen. Denn länger haltbare Pflanzen sind bei Verbrauchern gefragt und schonen die Ressourcen der Natur.


Konsortium: Wer sind die Projektbeteiligten?

  • Max-Planck-Institut (MPI) für Entwicklungsbiologie, Tübingen: Das MPI für Entwicklungsbiologie ist ein weltweit führender Forschungsstandort für Pflanzenforschung, Genetik und Evolutionsbiologie. Die Abteilung des Projektleiters, Prof. Dr. Detlef Weigel, ist führend in Molekularbiologie, Sequenzierung, Bioinformatik und erfahren in der Zuordnung von Zuchtmarker-Umwelt-Interaktion.
  • Colugo GmbH, Tübingen: Colugo entwickelt und implementiert Lösungen aus dem Bereich der Bilddatenverarbeitung und der Künstlichen Intelligenz. Der Fokus liegt auf modernen KI-Verfahren wie Deep Learning und anderen Methoden des maschinellen Lernens, beispielsweise Kernel Regression und Gradient Boosting.
  • Computomics GmbH, Tübingen: Das Unternehmen bringt seine Erfahrung im Bereich der Kamerasysteme mit Bilderkennung von Pflanzeneigenschaften und deren Zuordnung zu Umweltbedingungen und genetischen Zuchtmarkern in das Projekt ein.